Soul Beach 1 - Frostiges Paradies (German Edition)
sie mir um den Hals fallen will, und wir beide sehen entsetzt zu, wie ihre Hand ins Leere greift und mit einem schmerzhaften Klatschen auf dem Sand aufkommt.
»Ich hab’s vergessen«, sagt Triti und ihre Stimme klingt so klein und verzweifelt, dass sich eine tiefe Leere in mir auftut. »Aber glaub mir, ich war mir noch nie in meinem Leben so sicher.« Sie bringt ein angestrengtes Lächeln zustande. »Oder in meinem Leben nach dem Tod.«
Vielleicht bin ich ja verrückt, ihr so ein Angebot zu machen – zu glauben, dass eine Sechzehnjährige überhaupt irgendetwas ändern könnte –, aber ich weiß, dass ich sie nicht so weiterleiden lassen kann. »Es gibt keine Garantie, Triti, ich könnte auch total falschliegen. Dann passiert gar nichts. Aber ich werde es versuchen, das verspreche ich dir.«
»Danke.« Sie nickt und schließt die Augen und wirkt plötzlich sehr weit weg, obwohl wir immer noch direkt nebeneinandersitzen. Wahrscheinlich sollte ich sie um mehr Informationen bitten, doch die Angst, vom Strand verbannt zu werden, ist allgegenwärtig. Und wenn ich nicht mehr wiederkommen darf, kann ich weder Triti noch Meggie noch mir selbst helfen. Ich muss die Sache langsam angehen.
Ich stemme mich vom Sand hoch, um nach den anderen Ausschau zu halten. Sie warten bestimmt schon auf mich. Doch als ich mich auf den Weg Richtung Steg mache, wünsche ich mir, ich könnte mir einfach mal einen Abend freinehmen.
Nach diesen wenigen Minuten mit Triti kommt mir hier alles anders vor. Trostloser. Ich werde meine gesamten Schauspielkünste aufbieten müssen, um zu lachen und zu scherzen, als wäre Soul Beach ein einziges Paradies.
39
Meine Cousine Laurel ist sturzbetrunken, aber niemand stört sich daran. So ist das nun mal, wenn man einundzwanzig wird. Hier in der realen Welt ist eine Party keine echte Party, wenn man sich noch daran erinnern kann.
Ihre jüngere Schwester Stacie tritt neben mich. »Langsam sieht sie echt aus wie eine Barbie«, schnaubt sie und nickt in Richtung Laurel.
Angesichts Stacies künstlicher Bräune, künstlicher Fingernägel und, ganz neu, künstlicher Brüste, die sie von ihrem Stiefvater zum achtzehnten Geburtstag bekommen hat, liegt in dieser Aussage eine gewisse Ironie.
»Hauptsache, sie hat Spaß.« Oben auf der Bühne wankt Laurel auf ihren silbernen High-Heels vor und zurück. Ich würde nicht darauf wetten, dass sie noch lange aufrecht bleibt.
Stacie und Laurel sind die Töchter von Dads Schwester – die etwas prollige Seite der Familie –, doch obwohl wir unterschiedlicher nicht sein könnten, sind Meggie und ich immer gut mit ihnen ausgekommen.
»Wo hast du denn sexy Robbie gelassen?«, erkundigt sich Stacie.
Ich zucke mit den Schultern. »Keine Ahnung. Wir haben Schluss gemacht.«
Sie reißt die Augen auf. »Ist nicht dein Ernst! So einen darfst du doch nicht entwischen lassen.«
Ganz offensichtlich ist sie der Meinung, dass Robbie viel zu heiß für mich war und ich nie wieder so einen tollen Typen abkriegen werde. »Im Moment sind einfach andere Sachen in meinem Leben wichtiger.«
»Ja, ich weiß, aber … Alice, du brauchst nur den richtigen Kerl, der dir hilft, das alles zu vergessen. Einer, bei dem du an nichts anderes mehr denken kannst, wenn du mit ihm zusammen bist, noch nicht mal an Meggie. Je schneller du so einen findest, desto besser.«
Bei Stacies Begeisterung für alles Künstliche ist ihr Vertrauen in die wahre Liebe eine ziemliche Überraschung.
»Ist das so bei dir und David?«, will ich wissen.
Ein seltsam benebelter Ausdruck tritt in ihre Augen, sie wirkt regelrecht bekifft. »Bevor ich David kennengelernt habe, war ich nur ein halber Mensch. Erst jetzt fühle ich mich richtig vollständig. Ich kann es gar nicht erwarten, dass er aus Kabul zurückkommt. Ich habe das Gefühl, er will mir vielleicht einen Heiratsantrag machen.«
David ist Soldat – Stacie war schon immer davon überzeugt, dass sie eines Tages einen Mann in Uniform heiraten würde.
»Siehst du, und so war es mit Robbie nie«, erkläre ich. »Natürlich war er lieb und nett und total süß, aber –«
»War es nie so, dass du jeden Witz, den er gemacht hat, für den lustigsten auf der ganzen Welt gehalten hast?«
»Doch, schon. Am Anfang.«
»Okay. Und hat die Welt stillgestanden, wenn du mit ihm zusammen warst?«
»Nein.«
»Hast du nie davon geträumt, wie eure Kinder wohl aussehen würden? Gewusst, dass du so ziemlich alles andere aufgeben würdest, nur um mit ihm zusammen zu
Weitere Kostenlose Bücher