Späte Familie
und ich, zwischen den gespannten Wäscheleinen, machte die Bewegungen nach, bückte mich und bewegte meinen Körper, ohne ihn zu berühren, und so begann ich, auf ihre kurzen Pausen zu lauern, ich lernte, wann ihr letzter Patient sie verlieÃ, und eines Abends nahm ich meinen Mut zusammen und rannte unsere Treppe hinunter, Dutzende von Stufen,und rannte ihre Treppe hinauf, auch Dutzende von Stufen, einen Moment bevor sie die Tür schlieÃen und das Licht über dem Eingang ausmachen und in ihre Wohnung zurückkehren würde.
Ist etwas passiert, fragte sie, und ich schaute an ihrem Rücken vorbei zu unserem Dach hinüber, erstaunt über die veränderte Perspektive, als wäre das hier die andere Hälfte der Erdkugel, ich sah meine Mutter mit dem Wäschekorb, sie achtete immer darauf, erst seine Sachen aufzuhängen, seine Socken, seine Unterhosen, seinen Pyjama, die Baumwollhemden, die sie sorgfältig zurechtzog, und dann erst kamen unsere Sachen, wobei sie ihre Strümpfe mit meinen durcheinander brachte, immer legte sie nicht zusammenpassende Paare in meinen Schrank, und verwirrt deutete ich auf das Bild, als verberge sich dort meine Geschichte, eine Frau mit schwerem Körper, die in der einbrechenden Dämmerung Wäsche auf ihrem Dach aufhängt.
Viele Male bin ich ohne Anmeldung zu ihrer Wohnung gekommen, aber jetzt zögere ich, wir haben uns in der letzten Zeit aus den Augen verloren, als hätte Amnons Anwesenheit sie aus meinem Leben gedrängt oder auch Gilis leichter Körper, vielleicht habe ich es auch nicht geschafft, sie mit meinem Erwachsenenleben zu verbinden, begnügte mich mit kurzen Besuchen, mit hastigen Telefonaten, ich habe es vorgezogen, sie dort zurückzulassen, neben meinen Eltern, die zwischen den Dächern wie Wäschestücke hängen, die man auf der Leine vergessen hat. Mit schwerem Herzen betrachte ich die vielen Pflanzen auf ihrer kleinen Terrasse, deren Boden bedeckt ist mit abgefallenen weiÃen Jasminsternen, die einen beinahe quälenden Duft verströmen, und ich erinnere mich mit einem unbehaglichen Gefühl an die treue Geranie, die ich von der Fensterbank gestoÃen habe, und überlege, wie ich Gili erklären kann, wasgeschehen ist, lohnt es sich überhaupt zu klingeln, bestimmt ist sie jetzt, mitten am Tag, nicht zu Hause, und wenn sie da ist, wie sollte sie mir helfen können, wie leicht war es damals, neben ihr auf dem Dach zu stehen, als das Leben erst anfing.
Dünne GeiÃblattzungen verbergen ihre Türklingel, ich taste nach ihr, überrascht von dem lang anhaltenden Klang, den ich unabsichtlich verursache, wahrscheinlich ist sie nicht zu Hause, aber dann taucht ihr Gesicht vor mir auf, Ellinka, was für eine Ãberraschung, schön, dich zu sehen, ist etwas passiert? Breite weiÃe Strähnen durchziehen ihren kupferroten Schopf, dessen Schimmer stumpf geworden ist, ihre nackten Arme, voller als früher, strecken sich mir entgegen, aber in ihren Augen tanzt noch immer die Flamme der Vernunft, der Menschlichkeit, die mich damals, an jenem Abend, empfangen hat, ich falle ihr um den Hals, stöhne in ihren Armen, und ein Strom von Worten bricht aus mir heraus. Ich verstehe nicht, was plötzlich mit mir ist, ich war so sicher, dass ich ihn nicht mehr will, aber in dem Moment, in dem es Wirklichkeit geworden ist, erschrecke ich, die ganzen letzten Monate wollte ich nichts anderes, als ihn aus meinem Leben zu entfernen, und nun, da er weg ist, bin ich in Panik, plötzlich habe ich das Gefühl, dass er mich verlassen hat, nicht ich ihn, und alles tut mir Leid, ich bin wie ein verwöhntes Mädchen, das man zu ernst genommen hat.
Das ist keine Verwöhntheit, sagt sie, nimmt mich am Arm und führt mich zum Sofa, das ist vollkommen natürlich, was du beschreibst, das war nicht anders zu erwarten, eine Trennung weckt Urängste, ganz unabhängig von der Frage, ob sie berechtigt ist, du musst dich beruhigen, Angst ist ein schlechter Ratgeber, versuche, dich nicht von der Panik bestimmen zu lassen, du musst verstehen, dass das natürlich ist und nicht ein Zeichen für das, was war, oderdas, was sein wird, es braucht einfach Zeit, lass dir Zeit, sei geduldig, sagt sie langsam und deutlich.
Aber vielleicht habe ich mich geirrt, alle um mich herum haben mich verurteilt, und nun habe ich meine Sicherheit verloren, ich versuche, mich zu erinnern, warum ich mich so unbedingt von ihm
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