Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
vehement darauf, dass ich meinen noch über ein Jahr laufenden Vertrag einhielt. Das hätte das Aus für meine Zukunftspläne bedeutet. Erst einige Telefonate zwischen den Chefetagen in Frankfurt und Stuttgart, der Zentrale der Holtzbrinck-Gruppe, machten schließlich den Weg frei.
Und so nahm am 1 . Juni 2007 das Abenteuer seinen Lauf, das dann noch viel größer werden sollte, als ich es mir selbst in den wildesten Träumen je hätte vorstellen können. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich nämlich noch nichts von dem Jahrhundert-Beben, das die Finanzbranche schon bald bis auf die Grundfesten erschüttern würde.
Wieder einmal erwies sich dabei aber, dass Krise immer auch Chance bedeutet. Josef Ackermann sah sich vor die Herausforderung seines Lebens gestellt – und er zeigte sich ihr gewachsen. Es war sein Rendezvous mit der Geschichte. Der Schweizer, der die Deutsche Bank mit ehrgeizigen Renditevorgaben in die Spitzengruppe der globalen Investmentbanken geboxt hatte, erkannte lange vor den meisten seiner Kollegen das Ausmaß der drohenden Gefahr, brachte sein Institut vergleichsweise unbeschadet durch die Krise und richtete es anschließend für die Zukunft neu aus.
Darüber hinaus zeigte er als erster Topbanker Reue über die Fehlentwicklungen in seiner Branche und auch in seinem Hause, übte öffentlich Selbstkritik und drängte als Präsident des Welt-Bankenverbands IIF auf umfassende Reformen. Er trat für eine konsequente Rückbesinnung auf den Kunden und auf die gesellschaftliche Verantwortung der Banken ein und wirkte selbst an vorderster Stelle bei der Bewältigung sowohl der großen Finanz- wie der anschließenden Staatsschuldenkrise in Europa mit.
Gewiss, Josef Ackermanns Reue kam erst, als der Schaden größtenteils bereits angerichtet war. Aber werden wir nicht alle meist erst aus Schaden klug? Was aus Sicht der Gesellschaft im Nachhinein als spät, vielleicht zu spät erscheinen mag – für einen führenden Banker war es sehr früh. Und: Die Umkehr war ehrlich gemeint, auch wenn sie dem Schweizer die Möglichkeit bot, sein arg ramponiertes Ansehen aufzupolieren, also nicht allein auf uneigennützige Motive zurückging.
Auf der Hauptversammlung am 31 . Mai 2012 wurde Josef Ackermann trotz des absolut unbefriedigenden Aktienkurses, des Hickhacks um seine Nachfolge und zahlreicher hässlicher Rechtsstreitigkeiten von 7000 Aktionären mit stehendem Beifall verabschiedet. Er war im Verlaufe der Krise »vom Buhmann zum Popstar der Finanzbranche« ( Handelsblatt ) geworden.
Das vorliegende Buch soll diese bemerkenswerte Wandlung, ihre Hintergründe und Voraussetzungen, Begleitumstände und Folgen beschreiben. Es ist eine Geschichte von Kampf und Wettbewerb, Triumph und Enttäuschung, Ruhm und Schmach, Rampenlicht und Einsamkeit. Es ist das Porträt eines Menschen in seinen Zeitverhältnissen, einer ebenso vielschichtigen wie herausragenden Persönlichkeit, deren Ausstrahlung selbst seine Gegner immer wieder in ihren Bann zieht. Es ist ein Stück Finanzgeschichte. Und ein Stück Sittengeschichte der Geldbranche.
Ich bin Josef Ackermann nach wie vor eng verbunden und berate ihn weiter in Kommunikationsfragen. Dieses Buch ist gleichwohl keine autorisierte Biographie, sondern ein subjektiver Erfahrungsbericht aus meiner Zeit an seiner Seite, eine Nahaufnahme der bestimmenden Jahre seines beruflichen Lebens.
Als langjähriger Journalist weiß ich, wie wichtig es ist, bei aller Nähe zum und Sympathie für das Objekt der Beschreibung, kritische Distanz zu wahren. Diese habe ich auch in meiner Zeit bei der Deutschen Bank gehalten. Und es ist beiden Seiten, so denke ich, gut bekommen.
Inwieweit es mir in diesem Buch geglückt ist, den richtigen Abstand zu finden, bleibt dem Urteil des Lesers überlassen. »Jede Wirklichkeit besteht aus zwei Hälften, dem Subjekt und dem Objekt«, so der Philosoph Arthur Schopenhauer in seinen »Aphorismen zur Lebensweisheit«. »Bei völlig gleicher objektiver Hälfte, aber verschiedener subjektiver, ist daher die gegenwärtige Wirklichkeit eine ganz andere.«
Dieses Buch ist meine Wirklichkeit von Josef Ackermann.
Köln, im Sommer 2013
Kapitel 1
Tanzen solange die Musik spielt
Meine Taufe als Kommunikationschef der Deutschen Bank gerät zur Feuertaufe. Ich bin gerade einige Wochen in den blauen Doppeltürmen in Frankfurt, als die größte Finanzkrise seit den 30 er Jahren des vorigen Jahrhunderts ausbricht. Später zieht sie die Staatsschuldenkrise in Europa nach sich.
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