Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
werden. Sie wollten an der Spitze des Instituts jemanden haben, der sie verstand und unterstützte. Die Gewähr dafür bot in ihren Augen nur der Schweizer.
Nach dem Sommerurlaub forcierten sie die Diskussion über die Nachfolge Breuers und machten dabei keinen Hehl daraus, wo ihre Sympathien lagen. Die meisten im Führungsgremium der Bank seien der Meinung gewesen, dass das Haus jetzt »nicht zwei Jahre lang eine Nachfolgediskussion führen könne«, erinnert sich Ackermann. Auf Vorschlag seines dienstältesten Mitglieds, Tessen von Heydebreck, stimmte der Vorstand, einschließlich Fischer, für den Schweizer als nächsten Deutsche-Bank-Chef. Fischer übernahm später die Führung der West LB .
Bis zu unserem gemeinsamen Frühstück in Düsseldorf waren Josef Ackermann und ich uns nur einige wenige Male begegnet: Ich erinnere mich an ein eher flüchtiges Zusammentreffen im November 2003 , als sich Jean-Claude Trichet im Schlosshotel in Kronberg der deutschen Finanzelite als neuer Präsident der Europäischen Zentralbank ( EZB ) vorstellte. Etwas Smalltalk nach dem Abendessen – das war’s.
Das nächste Mal sahen wir uns im Rahmen des jährlichen Führungstreffens der Verlagsgruppe Holtzbrinck, zu der die Wirtschaftswoche damals gehörte, an einem Wochenende im März 2005 im noch tiefverschneiten Kitzbühel. Der Deutsche-Bank-Chef war als Promi-Gast eingeladen. Ich weiß noch, wie verblüfft wir alle registrierten, dass er ohne jede Begleitung kam, am Abend in Rosi’s Sonnbergstuben kräftig mitbecherte und sich – es ging schon gegen Morgen – ohne Berührungsängste zu »Anton aus Tirol« in die Abschluss-Polonaise einreihte.
Am intensivsten habe ich die Begegnung im September des gleichen Jahres bei einem Interview im A-Turm der Bank in Frankfurt in Erinnerung. Ackermann fand im Verlaufe des Gesprächs spontan Gefallen an dem Etikett »Let the good times roll«, das ich damals seiner opportunistischen Fokussierung auf die hochprofitable Investmentbank aufgeklebt hatte. Als das Mikrofon abgestellt war, unterhielten wir uns noch eine Weile über mein Ökonomie-Studium in Köln und die Jahre als Wirtschaftsforscher am Kieler Institut für Weltwirtschaft.
Josef Ackermann und ich haben vieles gemeinsam: Wir sind fast auf den Tag gleich alt (ich bin einen Tag älter), wuchsen beide in kleinen, einst prosperierenden Landgemeinden auf, in denen wir schon in unserer Jugend erleben konnten, wie die zunehmende Globalisierung einen tiefgreifenden Strukturwandel erzwang. Wir wurden von streng-fürsorglichen Eltern aus der katholischen Mittelschicht zu Leistungsbereitschaft, Selbstverantwortung und Weltoffenheit erzogen; auf dem humanistischen Gymnasium und im Studium der Volkswirtschaft haben wir schließlich auch dieselbe Ausbildung erfahren. Kurz: Wir verstanden uns ohne viele Worte. Das gab schließlich den Ausschlag für meine Bereitschaft, mit fast 60 beruflich noch einmal neu durchzustarten, die Seiten zu wechseln und aus der ersten Reihe wieder zurück ins Glied zu treten.
Als der Schweizer 2002 die Chefposition in Frankfurt übernahm, wollte er nur Banker sein. Sein Ziel: das Haus, das damals operativ kaum Geld verdiente und als Übernahmekandidat galt, auf Vordermann bringen und in die globale Spitzengruppe der Investmentbanken führen. Die weltweit wohl einmalige politische Rolle der Bank als Anführer der nationalen Wirtschaft und ihrer Chefs als Kanzlerberater sowie das damit verbundene besondere Medieninteresse auf ihrem Heimatmarkt waren ihm als erstem Ausländer an der Spitze des Geldhauses fremd. Zudem glaubte er, der erst mit fast 50 Jahren nach Deutschland gekommen war und dort über keinerlei persönliches Beziehungsnetzwerk verfügte, öffentlich besondere Zurückhaltung an den Tag legen zu müssen. Dies war ihm auch von Beratern empfohlen worden.
Im Verlauf des Mannesmann-Prozesses wurde dem Schweizer jedoch bewusst: Wenn er Erfolg haben und auch von den Deutschen geschätzt werden wollte, musste er die besondere politische und gesellschaftspolitische Rolle annehmen, die dem Chef der Deutschen Bank nun einmal zugeschrieben wurde. Er musste sein Netzwerk im Lande enger knüpfen sowie seine Kommunikation intensivieren und neu ausrichten. Auf dieser Basis fanden wir zusammen.
Einmal zum Wechsel entschlossen, wollte ich die neue Position möglichst schnell antreten. Mein Verleger, Stefan von Holtzbrinck, war jedoch alles andere als erfreut über die Abwanderungsabsicht und pochte zunächst
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