Spatz mit Familienanschluß
Schöneres, nicht wahr, Ernst?«
»Ja, viel schöner und größer.«
»Ja, mit der Klappe«, stellte Kathrin fest. »Alles nur mit der Klappe.«
Diese Bemerkung versetzte Markus in Wut. Er griff sich eine Handvoll nassen Sand und schleuderte ihn in Kathrins Gesicht.
Eine Weile schien Kathrin zu überlegen, ob sie sich wie ein Mädchen aufführen sollte oder wie eine junge Dame. Sie entschloß sich für einen Mittelweg, stampfte mit dem nackten Fuß in den Sand, sagte »Mondkalb« und ging, ohne sich umzudrehen.
Stefanie lief hinter ihr her und drohte Markus noch. »Das wird ein gemütlicher Abend werden«, rief sie. »Da kannst du dich auf was gefaßt machen.«
Kaum eine Stunde später war das Gewitter im Appartement der Bergmanns niedergeprasselt. Der Ausgang war unentschieden. Kathrin hatte sich vor dem fremden Jungen aufgespielt und Markus eins auszuwischen versucht, Markus hatte zwar ohne Worte, aber mit nassem Sand reagiert. Er hätte den Sand nicht geworfen, wenn Kathrin nicht das mit der Klappe gesagt hätte. Jeder war zufrieden damit, daß er keine Strafe bekommen hatte, und unzufrieden darüber, daß der andere nichts aufgebrummt bekam.
So herrschte am Abendtisch auf der Terrasse zum Teil verbissenes Schweigen, nur Mutter unterhielt sich mit Vater über Leute, die man wieder getroffen hatte, und den schönen Obsthändler, der besser aussah als ein Opernstar. Vater schien noch immer leicht verärgert, denn er meinte, bessere Kinder verdient zu haben, die nicht wegen jeder Kleinigkeit in Streit gerieten.
Der einzige unbeschwerte Teilnehmer an diesem Abendessen am Tisch der Familie war... Nun, wer war das wohl? Es war Lucas Altamura, der Spatz vom Platz, der Chef der Terrasse, der Platzwart, der kühn sein Revier verteidigte und hoffte, wieder eine lange, lange Nudel mit irgendeiner delikaten Soße bekleckert in höhere Gefilde entführen zu dürfen, um sie seiner Frau zu Füßen legen zu können.
»Ich muß mit dir ein ernstes Wort reden, junger Freund«, sagte Lucas zu Markus. »Ich hab heute nachmittag einmal überschlagen, was du in der Zeit deines Hierseins so alles angerichtet hast, wobei ich fürchte, daß meine Liste nicht einmal vollständig ist. Das zerbrochene Zahnputzglas, das war ein Unglücksfall, an dem das Glas eigentlich mehr schuld war als du.«
»Es ist wirklich von allein zersprungen«, sagte Markus. »Sag ich ja«, bestätigte Lucas, »werf ich dir auch gar nicht vor. Das Saftglas, das auf dem Tisch umfiel, auf das komme ich auch nicht zurück. Es hatte wohl einen Schwächeanfall und konnte sich nicht mehr aufrecht halten.«
»Es fiel um, bevor ich es überhaupt berührte.«
»Bleibt das Rotweinglas von gestern, das geht nun eindeutig auf dein Konto. Daß du in einem Augenblick seliger Verträumtheit die kunstvoll aufgebauten Paletten des Obsthändlers Vittorio zum Einsturz brachtest, daß du mitten in einen Wäschekorb voll bunter Sammeltassen beim Geschirrhändler Bartolotti hineinstiegst, daß du vom Hausmechaniker aus der Toilette befreit werden mußtest, obwohl es keinen Grund gab, den Riegel so fest vorzuschieben, daß er nicht mehr zu öffnen war...«
»Der Wäschekorb mit den Sammeltassen stand mitten auf dem Gehsteig, er hätte da gar nicht stehen dürfen.«
»Er stand genau nur zur Hälfte auf dem Gehsteig, zur anderen auf der Stufe zum Ladeneingang. Und das Unglück geschah, weil du die Zeitung zu einer Röhre gerollt hast und diese als Fernglas vor deine Augen hieltest. So geht man nicht auf der Straße, auch nicht in den Ferien und auch nicht in Italien.«
»Was gibt es denn heute Gutes?« fragte Stefanie.
An anderen Tagen hätte Kathrin gerufen: »Ach, kannst du es wieder nicht erwarten?« Oder sonst etwas in dieser Richtung, aber heute war jeder froh, daß wenigstens eines von den Kindern redete.
»Zunächst gibt’s deinen so heiß geliebten Zucchiniauflauf und das Hüpf in den Mund, was Saltimbocca heißt, alla romana, versteht sich, als Nachspeise Obst oder Eis.«
»Beides!« rief Stefanie.
»Nun warte erst ab«, sagte Mutter mild.
Markus langweilte sich. Stefanies Eßlust war schon ein Greuel. Er begann sich umzusehen und entdeckte am anderen Ende der Terrasse Ernesto mit seinen Eltern. Jetzt wurde er zappelig, wetzte auf seinem Stuhl hin und her, bis es seinem Vater auffiel.
»Was ist denn mit dir los?« fragte er.
»Nichts, nur dort ist Ernst mit seinen Eltern.«
»Und wer ist Ernst?«
»Wir haben heute miteinander gespielt, darf ich ganz kurz zu
Weitere Kostenlose Bücher