Spatz mit Familienanschluß
ja.« Markus griff nach einer Scheibe Brot, und die Eltern atmeten auf. Daß Markus Brot zum Frühstück aß, war eine Seltenheit.
»Nun«, sagte Vater, »wenn das kein herrlicher Tag ist.« Er hatte den Tag zu früh gelobt, denn Markus streckte sich gerade und stieß dabei das halbvolle Saftglas von Kathrin um. Der Saft rann, so schnell er konnte, über das Tischtuch und tropfte auf Mutters neues weißes Kleid.
»Es ist ganz wackelig gestanden«, verteidigte sich Markus, bevor der erste Vorwurf kam.
Dann aber fielen die Schwestern mit Worten über ihn her, die hier nicht alle aufgeführt werden können, weil Papier teuer ist. Von irgendeinem schlafmützigen Mondkalb war jedoch öfters die Rede. Das störte Markus jedoch wenig, denn diese Ausdrücke war er gewöhnt.
Daß Mutter sagte, er dürfe nicht Markus Bergmann, sondern müsse Markus Umwerf heißen, das traf ihn genauso hart wie die Feststellung Vaters, daß er einfach umwerfend sei.
Wahrscheinlich hätte er auf seine Schwestern losgeschlagen, um wenigstens einen Teil seiner Wut loszuwerden. Aber da war die Stimme von Lucas, die folgenden Rat erteilte: »Erst fünfmal tief durchatmen, mein Junge. Du wirst sehen, dann geht es besser. Und mach kein ärgerliches Gesicht, das den blauen Himmel beleidigt. Es ist nun mal geschehen, niemand kann es rückgängig machen. Und dann tu das, was keiner von dir erwartet.«
»Was ist das, was keiner von mir erwartet?« wollte Markus wissen.
»Entschuldige dich bei deiner Mutter, und der Tag ist, falls kein neues Unglück geschieht, gerettet.«
»Wirklich?« Markus entschuldigte sich und verblüffte damit am meisten seine Schwestern, die Anfälle von Sprachlosigkeit zeigten. Dann strich er sich Käse aufs Brot, brach ein Stückchen ab, hielt es Lucas hin und genoß es, daß alle anderen stumm staunten, als Lucas herangeflogen kam, um das Dargebotene zu nehmen. »Siehst du«, sagte Vater, »das Tierchen vertraut dir. Es hat entdeckt, daß du ein guter Kerl bist.«
»Da muß es aber ein schlechter Menschenkenner sein«, zischte Kathrin und heimste dafür ein Kopfstück von Mama ein.
»Einmal möchte ich Ruhe haben«, sagte sie. »Und wenn du jetzt noch maulst, gibt’s Strandverbot.«
Von diesem Punkt an entwickelte sich eine unerfreuliche Diskussion, an der sich Vater, Mutter und die beiden Schwestern beteiligten.
Markus hörte nur halb hin, denn Lucas war zurückgekehrt. Er hockte auf der Balkonbrüstung und drehte ihm den Rücken zu, denn er sah auf den Parkplatz hinunter.
»Ist was?« fragte Markus.
»Ich denke schon«, antwortete Lucas.
»Und was?«
»Mir gefällt da etwas nicht.«
Markus stand auf und trat an die Balkonbrüstung. »Was gefällt dir nicht?« fragte er und guckte in dieselbe Richtung, in die auch Lucas schaute.
»Siehst du die zwei Männer auf dem Parkplatz?«
»Bei dem roten Wagen?«
»Ja, die. Sie schauen hinein. Und ich weiß nicht, interessiert sie nur das Armaturenbrett, oder sehen sie nach, ob im Wagen etwas Wertvolles herumliegt, oder überlegen sie, wie sich der ganze Wagen am leichtesten klauen läßt.«
»Meinst du wirklich?«
»Ich traue den beiden nicht. Da, jetzt sehen sie sich wieder um, als hätten sie Angst, beobachtet zu werden.«
»Sie müssen aber schön blöd sein, wenn sie sich so auffällig benehmen.«
»Meine Theorie ist, daß keiner, der Grips hat, klaut. Es lohnt sich einfach nicht.«
4
Am dritten Tag entdeckte Markus einen Jungen in seinem Alter, der auch allein war und offensichtlich einen Jungen suchte, der mit ihm eine Sandburg bauen wollte.
»Buon giorno«, grüßte der Junge ihn freundlich, und das war Markus wirklich nicht gewöhnt.
»Buon giorno«, sagte auch er und lächelte, wie der andere gelächelt hatte. Hätte er nur gewußt, wie auf Italienisch Sandburg hieß und bauen, hätte er den anderen gleich gefragt. So aber sagte er nur »uno momento« und rannte zu seinen Eltern.
»Was heißt Sandburg auf Italienisch?« fragte er seinen Vater.
»Au«, sagte Vater, »da fragst du besser die Mama, soviel ich weiß, heißt Burg castello und Sand... o weh, könntest du mich nicht etwas Leichteres fragen?« Schließlich bastelte Markus mit seiner Mutter einen Satz zusammen, der aus der gewünschten Frage bestehen sollte. Eiligst rannte er zu dem Platz zurück, an dem der Junge noch wartete.
»Vuoi costruire un castello di sabbia con me?« fragte Markus atemlos.
Der Junge sah ihn verständnislos an, rief dann »uno momento« und lief nun seinerseits
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