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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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muß gewesen sein; und ich glaube wirklich, die Messinesen haben Recht gehabt, wenn sie sagten, es sei in der Welt nicht so etwas Prächtiges mehr gesehen als ihre Fassade an dem Hafen, die sie deswegen nur vorzugsweise den Palast nannten und ihn noch jetzt in den Trümmern so nennen. Das Schicksal scheint hier eine schreckliche Erinnerung an unsere Ohnmacht gegeben zu haben: »Das könnt ihr mit Macht und angestrengtem Fleiß in Jahrhunderten, und das kann ich in einem Momente!« Die Monumente stürzten, und die ganze Felsenküste jenseits und diesseits wurde zerrüttet! – Nur die Heiligennischen an den Enden werden wieder aufgebaut und Bettelmönche hineingesetzt, den geistlichen Tribut einzutreiben. Aufwärts in der Stadt wird sehr lebhaft und sehr solid wieder aufgebaut. Die Häuser bekommen durchaus nicht mehr als zwei Stockwerke, um bei künftigen Erderschütterungen nicht zu sehr unter ihrer Last zu leiden. Das unterste Stockwerk hat selbst in den furchtbarsten Erdbeben überall nur wenig gelitten.
    Messina ist reich an Statuen ihrer Könige, von denen einige nicht schlecht sind. Ich habe stundenlang vor dem Bild Philipps des Zweiten gestanden und die Geschichte aus seinem Gesichte gesucht. Mir deucht, er trägt sie darauf; und selbst Schiller scheint seinen Charakter desselben von so einem Kopfe genommen zu haben. Die heilige Jungfrau ist bekanntlich die vorzüglichste Patronin der Messinesen, und Du kannst nicht glauben, wie fest und heilig sie noch auf ihren Schutzbrief halten. Wenn sie hier nicht im Erdbeben hilft, so wie Agatha in Catanien den Berg nicht zähmt, so müssen freilich die Sünder gestraft werden. Ich hatte soeben Gelegenheit, eine große, feierliche Zeremonie ihr zu Ehren mit anzusehen. Die ganze Geistlichkeit mit einem ziemlich ansehnlichen Gefolge vom weltlichen Arm hielt das Palmenfest. Mich wundert nicht, daß die Palmen in Sizilien nicht besser fortkommen und immer seltener werden, wenn man sie alle Jahre auf diese Art so gewissenlos plündert. Alles trug Palmenzweige, und wer keinen von den Bäumen mehr haben konnte, der hatte sich einen schnitzen und färben lassen. Der Aufzug wäre possierlich gewesen, wenn er nicht zu ernsthaft gewesen wäre. Ein Mönch predigte sodann in der Kathedralkirche eine halbe Stunde von der heiligen Jungfrau und ihrem gewaltigen Kredit im Himmel und ihrer besondern Gnade gegen die Stadt und führte dafür Beweise an, über die selbst der echteste, gläubigste Katholik hätte ausrufen mögen:
»Credat Judaeus Apella!
« Sodann kam der Erzbischof in einem ungeheuern, alten, vergoldeten Staatswagen mit vier stattlichen Mauleseln, stieg aus und segnete das Volk, und es ging selig nach Hause. Die Kathedrale hat in ihrem Baue nichts Merkwürdiges als die Säulen, die aus dem alten Neptunustempel am Pharus sind. Der große, prächtige Altar war verhängt; er gilt in ganz Sizilien für ein Wunder der Arbeit und des Reichtums. Man machte mir Hoffnung, daß ich ihn würde sehen können, und nahm es ziemlich übel, daß mir die Sache so gleichgültig schien.
    Man sagt, die Hafenseite liegt deswegen noch so ganz in Trümmern, weil die Regierung sie durchaus ebenso schön und ganz nach dem alten Plan aufgebaut wissen wolle, die Bürger aber sie nur mit dem übrigen gleich, zwei Stock hoch, aufzuführen gesonnen seien. Mir deucht, das Ganze, ob ich es gleich von sehr unterrichteten Leuten gehört habe, sei doch nur ein Gerücht; und wenn es wahr ist, so zeigt es den guten, soliden Verstand der Bürger und die Unkunde und Marotte der Regierung. Die Statue des jetzigen Königs, Ferdinand des Vierten, hat man noch 1792 mitten unter die Trümmer gesetzt. Wenn hier der gute Herr nicht seinen lethargischen Schnupfen verliert, so kann ihm kein Anticyra helfen. Was die Leute bei der Aufstellung der Statue hier eben mögen gedacht haben, ist mir unbegreiflich, da der König weder eine solche Ehre noch eine solche Verspottung verdient. Die Statue war auf alle Fälle hier das letzte, was man aufstellen sollte. In dem Hafen liegen eben jetzt vier englische Fregatten, und es scheint, als ob die Briten über die Insel Wache hielten, so bedenklich mag ihnen die Lage derselben vorkommen. Es sind schöne, herrliche Schiffe, und sooft ich etwas von der englischen Flotte gesehen habe, habe ich unwillkürlich den übermütigen Insulanern ihr stolzes
»Britania rule the waves
« verziehen; ebenso wie dem Pariser Didot sein »
Excudebam
«, wenn ich die Arbeit selbst betrachte.
    Von der

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