Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
eine so geschmückte Szene wahrscheinlich in meinem Leben nicht wieder sehen. Sie ist nur hier zu treffen und auch hier sehr selten; die Führer priesen uns und sogar sich selbst deswegen glücklich. Wir brachen auf, um, wo möglich, unten dem Regen zu entgehen; in einigen Minuten sahen wir nichts mehr von dem Gipfel des Berges; alles war in undurchdringlichen Nebel gehüllt, und wir selbst schossen auf der Bahn, die wir im Hinaufsteigen langsam gemacht hatten, pfeilschnell herab. Ohne den Schnee hätten wir es nicht so sicher gekonnt. Nach einer halben Stunde hatten wir die Blitze links, immer noch unter uns. Der Nebel hellte sich wieder auf, oder vielmehr wir traten aus demselben heraus, das Gewitter zog neben uns her nach Catanien zu, und wir kamen in weniger als der Hälfte Zeit wieder in das Haus am Ende der Waldregion, wo wir uns an das Feuer setzten – nämlich diejenigen, die es wagen durften. Die Engländer hatten zu dieser Bergreise eine eigene Vorkehrung getroffen. Weiß der Himmel, wer sie ihnen mochte geraten haben; die meinige war besser. Sie kamen in Nicolosi in Stiefeln an, setzten sich aber dort in Schuhe, und über diese Schuhe zogen sie die dicksten wollenen Strümpfe, die man sich denken kann, und die sie sogar, wie sie mir sagten, schon in Holland zu diesem Behufe gekauft hatten. Der Aufzug ließ sonderbar genug; sie sahen mit den großen Ätnastöcken von unten auf alle ziemlich aus wie samojedische Bärenführer. Ich ging in meinem gewöhnlichen Reisezeug mit gewöhnlichen baumwollenen Strümpfen in meinen festen Stiefeln. Schon hinaufwärts waren einige holländische Strümpfe zerrissen, herabwärts ging es über die Schuhe und die Unterstrümpfe. Einige liefen auf den Zehen, die sie denn natürlich erfroren hatten. Meine Warnung, langsam und fest, ohne abzusetzen, fortzugehen, hatte nichts geholfen. Mir fehlte nicht das geringste. Vorzüglich hatte einer der jungen Herren die Unvorsichtigkeit gehabt, sich mit warmem Wasser zu waschen und an das Feuer zu setzen. In einigen Minuten jauchzte er vor Schmerz wie Homers verwunderter Kriegsgott und hat den Denkzettel mitgenommen. Vermutlich wird er in Catanien oder noch in Malta zu kurieren haben. Du kannst sehen, welcher auffallende Kontrast hier in einer kleinen Entfernung in der Gegend ist; unten bei Catanien raufte man reifen Flachs, und die Gerste stand hoch in Ähren, und hier oben erfror man Hände und Füße. Nun ritten wir noch immer mit dem Gewitter durch die Waldregion nach Nicolosi hinab, wo wir eine herrliche Mahlzeit fanden, die der Wirt aus dem Goldenen Löwen in Catanien kontraktmäßig angeschafft hatte. Wir nahmen Abschied, die Engländer ritten zurück nach Catanien und ich meines Weges hierher nach Taormina.
Es ist vielleicht in ganz Europa keine Gegend mit so vielfältigen Schönheiten als die Umgebung dieses Berges. Seine Höhe kann ich nicht bestimmen. In einem geographischen Verzeichnisse wurde er hier beträchtlich höher angegeben als die höchsten Alpen, das mögen die Italiener mit den mathematischen Geographen ausmachen. Der Professor Gambino aus Catanien will diesen August mit einer Gesellschaft hinaufgehen, um oben noch mehrere Beobachtungen anzustellen. Man hat in der Insel das Sprichwort vom Ätna:
»On le voit toujours le chapeau blanc et la pipe à la bouche.« –
Der Schnee soll nie schmelzen, das ist in einem so südlichen Klima viel. Man nennt ihn in Sizilien meistens, wie bekannt, nur
Monte Gibello
, aber man nennt ihn auch noch sehr oft Ätna oder den Berg von Sizilien, oder geradezu vorzugsweise den Berg. Die letzte Benennung habe ich am häufigsten und zwar auch unten an der Küste gefunden. Mir scheint es überhaupt, daß man jetzt anfängt, die alten Namen wieder hervorzusuchen und zu gebrauchen. So habe ich auch den Fluß unten nicht anders als Simäthus nennen hören.
Bis an das Bergkloster der Benediktiner ist der Ätna von dieser Seite bebaut; weiter hinauf ist Wald und fast von lauter Eichen, die jetzt noch, alle kahl standen; und nicht weit von der Geißhöhle oder dem jetzigen Hause von Paterno hört die Vegetation ganz auf. Wir fanden von dort an bis zum Gipfel Schnee. Die bebaute Region gibt eine Abwechslung, die man vielleicht selten mehr auf dem Erdboden findet. Unten reifen im lieblichsten Gemische die meisten Früchte des wärmern Erdstrichs, alle Orangengeschlechter wachsen und blühen im goldenem Glanze. Weiter hinauf gedeiht die Granate, dann der Ölbaum, dann die Feige, dann nur der
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