Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
seine Mühe aus. Dazu machte ich endlich ein grämliches Gesicht und zog noch zwei Karlin hervor. Als ich sie hinreichte, schnappte sie ein Profaner weg, der sich einen Korporal nannte, und von dem ich ebensowenig wußte, wie er zur Gesellschaft noch wie er in den Dienst der Kirche gekommen war. Darüber entstand Streit zwischen dem Klerikus und dem Laien. Der geistliche Herr sagte mir ins rechte Ohr, daß der Korporal ein liederlicher Säufer wäre; dieser zischelte mir ins linke, das Mönchsgesicht sei ein Gauner und lebe vom Betruge; ich antwortete beiden ganz leise, daß ich das nämliche glaube und es wohl gemerkt habe. Es ist ein heilloses Leben.
Mein Freund, Du suches in Salerne
Den Menschensinn umsonst mit der Laterne
Denn, zeigt er sich auch nur von Ferne,
So eilen Kutten und Kapuzen,
Der heiligen Verfinsterung zum Nutzen,
Zum dümmsten Glauben ihn zu stutzen.
Da löscht man des Verstandes Zunder,
Und mischt mit Pfaffenwitz des Widersinnes Plunder,
Zum Trost der Schurkerei, zum Wunder.
Und jeder Schuft, der fromm dem Himmel schmeichelt
Und wirklich dumm ist, oder Dummheit heuchelt,
Kniet hin und betet, geht und meuchelt,
Gewiß, Vergebung seiner Sünden
Beim nächsten Plattkopf lästerlich zu finden.
Ich kann mir nicht helfen, Lieber, ich muß es Dir nur gestehen, daß ich den Artikel von der Vergebung der Sünden für einen der verderblichsten halte, den die Halbbildung der Vernunft zum angeblichen Troste der Schwachköpfe nur hat erfinden können. Es ist der schlimmste Anthropomorphismus, den man der Gottheit andichten kann. Es ist kein Gedanke, daß Sünde vergeben werde. Jeder wird wohl mit allen seinen bösen und guten Werken hingehen müssen, wohin ihn seine Natur führt. Eine mißverstandene Humanität hat den Irrtum zum Unglück des Menschengeschlechts aufgestellt und fortgepflanzt, und nun wickeln sich die Theologen so fein als möglich in Distinktionen herum, welche die Sache durchaus nicht besser machen. Was ein Mensch gefehlt hat, bleibt in Ewigkeit gefehlt; es läßt sich keine einzelne Tat aus der Kette der Dinge herausreißen. Die Schwachheiten der Natur sind durch die Natur selbst gegeben, und die Herrscherin Vernunft soll sie durch ihre Stärke zu leiten und zu vermindern suchen. Der Begriff von Verzeihung hindert meistens das Besserwerden. Gehe nur in die Welt, um Dich davon zu überzeugen! Soll vielleicht dieser Trost großen Bösewichtern zustatten kommen? Alle Schurken, die sich nicht bessern können, die von Beichte zu Beichte täglich schlechter, weggeworfener und niederträchtiger werden, diese sollen zum Heile der Menschheit verzweifeln. Jeder soll haben, was ihm zukommt. Die Verzweiflung der Bösewichter ist Wohltat für die Welt, sie ist das Opfer, das der Tugend und der Göttlichkeit unserer Natur gebracht wird. Verzweifle, wer sich nicht bessern, sich nicht vernünftig beruhigen kann! Die Vergebung der Sünden kann ich nicht begreifen, sie ist ein Widerspruch, gehört zu den Gängelbändern der geistlichen Empirik, damit ja niemand allein gehen lerne. Man darf nur die Länder recht beschauen, wo diese entsetzliche Gnade im größten Umfange und Unfuge regiert. Kein rechtlicher Mann ist dort seiner Existenz sicher. Die Geschichte belegt.
Hier in Salerno erhielt ich einen neuen Führer, der mir sehr problematisch aussah. Er machte mich darauf aufmerksam, daß ich bei ihm außerordentlich sicher sei, weil er alles schlechte Gesindel als freundliche Bekannte grüßte, und meinte, in seiner Gesellschaft könne mir nicht geschehen. Das begriff ich und war ziemlich ruhig, obgleich nicht wegen seiner Ehrlichkeit. Er hatte mich öffentlich in der Stadt übernommen; es galt also seine eigene Sicherheit, mich dahin wieder zurückliefern, weiter hätte ich ihm dann nicht trauen mögen. Wir fuhren noch diesen Abend ab und blieben die Nacht an der Straße in einem einzelnen Wirtshause, wo sich der Weg nach Pästum rechts von der Landstraße nach Eboli und Calabrien trennt. Diese Landstraße geht von hier aus nur ungefähr noch vierzig Millien; dann fängt sie an, sizilianisch zu werden, und ist nur für Maulesel gangbar. Es war herrliches Wetter; der Himmel schien mir an dem schönen Morgen vorzüglich wohl zu wollen, meine Seele ward lebendiger als gewöhnlich.
Ich eilte fort, und Nachtigallen schlugen
Mir links und rechts in einem Zauberchor
Den Vorgeschmack des Himmels vor,
Und laue, leise Weste trugen
Mich im Genuß für Aug' und Ohr
Durch Gras wie Korn, und Korn
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