Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
Vom Netzwerk:
wie Rohr.
    Balsamisch schickte jede Blume
    Mir üppig ihren Wohlgeruch,
    Der Göttin um uns her zum Ruhme,
    Aus Florens großem Heiligtume;
    Und rund umher las ich das schöne Buch
    Der Schöpfung; jauchzend, Spruch vor Spruch.
    Die goldnen Hesperiden schwollen
    Am Wege hin in freundlicher Magie,
    Und Mandeln, Wein und Feigen quollen
    Am Lebensstrahl des Segensvollen
    In stillversteckter Eurhythmie,
    Und Klee, wie Wald, begrenzte sie.
    Ich eilte fort, hochglühend ward die Sonne,
    Und fühlte schon voraus die Wonne,
    Mit Pästums Rosen in der Hand,
    An eines Tempels hohen Stufen,
    Wo Maro einst begeistert stand,
    Die Muse Maros anzurufen.
    Die Tempel stiegen, groß und hehr,
    Mir aus der Ferne schon entgegen,
    Da ward die Gegend menschenleer
    Und öd' und öder um mich her,
    Und Wein wuchs wild auf meinen Wegen.
    Da stand ich einsam an dem Tore
    Und an dem hohen Säulengang,
    Wo ehemals dem entzückten Ohre
    Ein voller Zug im vollen Chore
    Das hohe Lob der Gottheit sang.
    Verwüstung herrscht jetzt um die Mauer,
    Wo einst die Glücklichen gewohnt,
    Und mit geheimem, tiefem Schauer
    Sah ich umher und sahe nichts verschont;
    Und meine Freude ward nun Trauer.
    Umsonst blickt Titan hier so milde,
    Umsonst bekrönet er im Jahr
    Zweimal mit Ernte die Gefilde –
    Du suchst von allem, was einst war,
    Umsonst die Spur; ein zottiger Barbar
    Schleicht mit der Dummheit Ebenbilde,
    Ein Troglodyt, erbärmlicher als Wilde,
    Um den verschütteten Altar.
    Nur hie und da im hohen Grase wallt,
    Den Menschensinn noch greller anzustoßen,
    Dumpf murmelnd eine Mönchsgestalt.
    Freund, denke Dir die Seelenlosen!
    In Pästum blühen keine Rosen.

    Ich gebe Dir zu, daß in diesen Versen wenig Poesie ist; aber desto mehr ist darin lautere Wahrheit. Ich hielt mich hier nur zwei Stunden auf, umging die Area der Stadt, in welcher nichts als die drei bekannten großen, alten Gebäude, die Wohnung des Monsignore, eines Bischofs, wie ich höre, ein elendes Wirtshaus und noch ein anderes jämmerliches Haus stehen. Das ist jetzt ganz Pästum. Hier dachte ich mir Schillers Mädchen aus der Fremde; aber weder die Geberin noch die Gaben waren in dem zerstörten Paradiese. Ich suchte, jetzt in der Rosenzeit, Rosen in Pästum für Dich, um Dir ein klassisch sentimentales Geschenk mitzubringen; aber da kann ein Seher keine Rose finden. In der ganzen Gegend rund umher, versicherte mich einer von den Leuten des Monsignore, ist kein Rosenstock mehr. Ich durchschaute und durchsuchte selbst alles, auch den Garten des gnädigen Herrn, aber die Barbaren hatten keine einzige Rose. Darüber geriet ich in hohen Eifer und donnerte über das Piakulum an der heiligen Natur. Der Wirt, mein Führer, sagte mir, vor sechs Jahren wären noch einige dagewesen, aber die Fremden hätten sie vollends alle weggerissen. Das war nun eine erbärmliche Entschuldigung. Ich machte ihm begreiflich, daß die Rosen von Pästum ehedem als die schönsten der Erde berühmt gewesen, daß er sie nicht mußte abreißen lassen, daß er nachpflanzen sollte, daß es sein Vorteil sein würde, daß jeder Fremde gern etwas für eine pästische Rose bezahlte; daß ich, zum Beispiel, selbst jetzt wohl einen Piaster gäbe, wenn ich nur eine einzige erhalten könnte. Das Letzte besonders leuchtete dem Manne ein; um die schöne Natur schien er sich nicht zu bekümmern, dazu ist die dortige Menschheit zu tief gesunken. Er versprach darauf zu denken, und ich habe vielleicht das Verdienst, daß man künftig in Pästum wieder Rosen findet, wenigstens will ich hiermit alle bitten, die nämlichen Erinnerungen eindringlich zu wiederholen, bis es fruchtet.
    Eine Abhandlung über die Tempel erwarte nicht. Ich setzte mich an einem Rest von Altar hin, der in einem derselben noch zu finden ist, und ruhte eine Viertelstunde unter meinen Freunden, den Griechen. Wenn einer ihrer Geister zurückkäme und mich Hyperboreer unter den letzten Trümmern seiner Vaterstadt sähe! Hier ist mehr als in Agrigent. Ich bin nicht der erste, welcher es anmerkt, was die Leute für gewaltig hohe Stufen gemacht haben, hier und in Agrigent. Man muß sehr elastisch steigen, oder man ist in Gefahr, sich einen Bruch zu schreiten. Daß einer von den Tempeln dem Neptun gehöre, beruht wahrscheinlich nur auf dem Umstand, daß Neptun der vorzüglichste Schutzgott der Stadt war, sowie man eines der Gebäude für eine Palästra hält, weil es anders als die gewöhnlichen Tempel mit zwei Reihen Säulen übereinander gebaut ist. Sollte dieses

Weitere Kostenlose Bücher