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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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nicht vielmehr ein Buleuterion gewesen sein? Denn es läßt sich nicht wohl begreifen, wozu die obere Säulenreihe in einer Palästra dienen sollte. Vielleicht war es auch Buleuterion und Palästra zugleich, unten dieses, oben jenes. Nicht weit von den Gebäuden zeigte man mir noch als eine Seltenheit einen Stein, der nur vor kurzem gefunden sein muß, weil ich ihn noch von niemand angeführt gefunden habe. Es ist aber nur ein gewöhnlicher Leichenstein, und zwar ziemlich neu aus der lateinischen Zeit. Das Quadrat der Stadt ist noch überall sehr deutlich zu unterscheiden durch die Trümmer der Mauern. Das Tor nach Salerno hin hat noch etwas hohes Gemäuer, und das Bergtor ist noch ziemlich ganz und wohl erhalten. Die beiden übrigen, die man mir als das Seetor und Justiztor nannte, zeigen nur noch ihre Spuren. Die Hauptursache, warum dieser Ort vor allen übrigen so gänzlich in Verfall geraten ist, scheint mir das schlechte Wasser zu sein. Ich versuchte, zweimal zu trinken, und fand beide Male Salzwasser; das Meer ist nicht fern, die Gegend tief, und auch aus den nahen Bergen kommt Salzwasser. Das süße Wasser mußte weit und mit vielen Kosten hergeleitet werden. Die Vegetation rechtfertigt noch jetzt Virgils Angabe. Der Anblick ist einer der schönsten und traurigsten. Als ich auf dem Rückwege zu Fuße etwas vorausging, lag auf den Ästen eines Feigenbaumes eine Schlange geringelt, die mich ruhig ansah. Sie war wohl stärker als ein Mannarm, ganz schwarz von Farbe, und ihr Blick war furchtbar. Sie schien sich gar nicht um mich zu bekümmern, und ich hatte eben nicht Lust, ihre Bekanntschaft zu machen. Es fiel mir ein, daß Virgil
atros colubros
anführt, die er eben nicht als gutartig beschreibt; diese schien von der Sorte zu sein.
    Auf meiner Rückkehr hatte ich Gelegenheit, zwei sehr ungleichartige Herrn von dem neapolitanischen Militär kennenzulernen. Ich wurde einige Millien von Salerno an der Straße angehalten, und ein Offizier nicht mit der besten Physiognomie setzte sich geradezu zu mir in die Karriole, ohne eine Silbe Apologie über ein solches Betragen zu machen, und wir fuhren weiter. Ich hörte, daß mein Fuhrmann vorher entschuldigend sagte: »
E un signore Inglese.
« Das half aber nichts, der Kriegsmann pflanzte sich ein. Als er Posto gefaßt hatte, wollte er mir durch allerhand Wendungen Rede abgewinnen, seine Grobheit hatte mich aber so verblüfft, daß ich keine Silbe vorbrachte. Vor der Stadt stieg er aus und ging fort ohne ein Wörtchen Höflichkeit. Das ist noch etwas stärker als die Impertinenz der deutschen Militäre hier und da gegen die sogenannten Philister, die doch auch zuweilen systematisch ungezogen ist. Als ich gegen Abend in der Stadt spazieren ging, redete mich ein zweiter an: »Sie sind ein Engländer?« – Nein. – »Aber ein Russe?« – Nein. »Doch ein Pole?« Auch nicht. »Was sind Sie denn für ein Landsmann?« Ich bin ein Deutscher. – »Tut nichts; Sie sind ein Fremder und erlauben mir, daß ich Sie etwas begleite.« – »Sehr gern; es wird mir angenehm sein.« Ich sah mich um, als ob ich etwas suchte. Er fragte mich, ob ich in ein Kaffeehaus gehen wollte. »Wenn man Eis dort hat«, war meine Antwort. Das war zu haben, er führte mich, und ich aß tüchtig, in der Voraussetzung, ich würde für mich und ihn tüchtig bezahlen müssen. Das pflegte so manchmal der Fall zu sein. Aber als ich bezahlen wollte, sagte die Wirtin, es sei alles schon berichtigt. Das war ein schöner Gegensatz zu der Ungezogenheit vor zwei Stunden. Er begleitete mich noch in verschiedene Partien der Stadt, besonders hinauf zu den Kapuzinern, wo man eine der schönsten Aussichten über den ganzen Meerbusen von Salerno hat. Ich konnte mich nicht enthalten, dem jungen, artigen Manne das schlimme Betragen seines Kameraden zu erzählen. »Ich bin nicht gesonnen«, sagte ich, »mich in der Fremde in Händel einzulassen; aber wenn ich den Namen des Offiziers wüßte und einige Tage hier bliebe, würde ich doch vielleicht seinen Chef fragen, ob dieses hier in der Disziplin gutheiße.« Der junge Mann fing nun eine große, lange Klage über viele Dinge an, die ich ihm sehr gern glaubte. Wir gingen eben vor einem Gefängnisse vorbei, aus dessen Gittern ein Kerl sah und uns anredete. »Dieser Mensch hat vierzig umgebracht«, sagte der Offizier, als wir weiter gingen. Ich sah ihn an. »Hoffentlich kann es ihm nicht bewiesen werden«; erwiderte ich. – »Doch, doch; für wenigstens die Hälfte könnte

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