Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
ich; das Experiment war mir zu heiß. Ob die alten Gebäude, die am Strande hin stehen, Tempel oder Bäder gewesen, vermag ich nicht zu entscheiden. Sie gehören augenscheinlich zu Bajä, und zu Bajä waren viele berühmte Bäder; doch findet man sie sonst wohl nicht leicht von dieser Tempelform. Es sind zwei Rotunden, jetzt ziemlich hoch mit Erde angefüllt, und das Echo darin ist furchtbar stark. Das sogenannte Grab Agrippinens verdient wohl gesehen zu werden, es mag gehören, wem es will. Die Arbeit ist gut, und die Wandverzierungen sind sehr niedlich und geschmackvoll. Ich fand darin ein Stückchen Bernstein von der Gestalt eines Diskus, mit einem kleinen Loche in der Mitte, durch welches ein Draht oder Ring gegangen zu sein schien. Der Himmel mag wissen, ob es alt ist, oder wie es sonst dahin gekommen sein mag. Von dem Tempel des Herkules, in dessen Nähe Agrippina umgekommen sein soll, werden, hart unter dem Vorgebirge Misene, noch einige Trümmer gezeigt. Baulä ist jetzt ein kleines, armseliges Dörfchen. Was die Piscine und die Felsengänge oder die sogenannten Gefängnisse des Nero mögen gewesen sein, darüber zanken sich noch die Gelehrten. Ich begreife nicht, warum sie nicht von Menschen, wie die römischen Censoren von der schlechtesten Sorte waren, zu Kerkern sollen gebraucht worden sein. Sie sind gräßlich, und die Gefängnisse in Syrakus sind Ballsäle dagegen, wie denn alles Grausame bei den Römern schrecklicher und scheußlicher war als bei den Griechen, die Spartaner vielleicht ausgenommen, die mehr einen römischen Stempel trugen. Bis fast hinaus auf die Spitze des Vorgebirges und bis hinab an die Elysäischen Felder und das Tote Meer sind schöne Pflanzungen von Wein und Feigen. Misene ist eine von dieser Seite auslaufende Erdzunge, die sich mit dem hohen Felsen dieses Namens schließt. Gegenüber liegt nicht weit davon sogleich Procida, und man erzählte, daß die Engländer im vorigen Kriege von dort herüber nach Baulä geschossen haben. Das ist aber doch nicht wohl möglich, es muß aus den Schiffen auf dem Passe zwischen Procida und Misene geschehen sein. Im Vorbeigehen darf ich Dir noch sagen, daß ich neulich in Rom in den deutschen Propyläen eine Rezension von Gmelins Blättern von dieser Gegend gesehen habe, wo man sich fast ausdrückt, als ob das Mare morto und der Avernus eine und die nämliche See wären; eine Unbestimmtheit, die man doch in den Propyläen nicht antreffen sollte!
Ich ließ mich von Misene gern über den Meerbusen hinüber nach Pozzuoli rudern, wo ich zwar etwas spät, aber mit desto besserem Appetit eine herrliche Mahlzeit nahm. Der Bajische Meerbusen ist wegen seiner Schönheiten berühmt, aber überall, wohin man blickt, findet man nur Trümmer, Zerstörungen der Zeit, der Barbarei und der Erdrevolutionen, als ob sich alles vereinigt hätte, diesen Sitz der schändlichsten Despotie zu vernichten und nur die Reize der Natur übrigzulassen. Der neue Berg wird jetzt ziemlich bearbeitet und gibt guten Wein, wie man sagt. Die Leute behaupten hier mit Gewalt, hier habe ehemals der Falerner Berg gestanden und sei in verschiedenen Erdrevolutionen mit verschüttet worden; geben auch noch eine Sorte Wein für Falerner, der allerdings besser sein soll als der echte Falerner bei Sessa auf der andern Seite des Gaurus. Eine sonderbare Phantasie ist mir vorgekommen; ich weiß nicht, ob ich der erste bin, der sie gehabt hat. Capri sieht von hier und noch mehr von der Spitze des Posilippo und bei Nisida aus wie der Kopf eines ungeheuren Krokodils, das seinen Rachen nach Sorrent dreht. Diese Einbildung kam mir immer wieder, sooft ich dahin sah, und sie gibt der Tiberiade einen abscheulichen Stempel.
Der Weg von Pozzuoli nach Neapel zurück geht durch ein üppig reiches Tal an dem Posilippo hin. Die Gegend ist aber als sehr ungesund bekannt, wegen der Solfatara und des Agnano, die links in der Nähe liegen. Der beträchtliche Berg Posilippo liegt rechts vor Dir; alles ist geschlossen und nirgends eine Schlucht zu sehen, und Dir wird vielleicht etwas bange vor der Auffahrt und Abfahrt. Diese ersparst Du, denn Du fährst wie ein Erdgeist gerade durch den Berg hin. Dies ist die berühmte Grotte. Vermutlich war die Veranlassung dazu der Steinbruch, den man tief hineinarbeitete. Man konnte dabei leicht auf den Gedanken kommen, durchzugehen und so einen gerade Weg zu machen. Der Eingang von Neapel ist schöner als von Pozzuoli, und wenn man bei einer gewissen Mischung der Atmosphäre
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