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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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als nicht existierend an, bloß der römische Hof gewinnt durch seine Schwachheit Stärke. Dieser Leopold, sagt der Nuntius, hat vieles getan als ein ungehorsamer Sohn, das durch den Willen des Heiligen Vaters und das Ansehen der Kirche
ipso jure
null ist. Du kannst denken, wie stark man sich am Vatikan fühlen und wie schwach man die am Arno halten muß, daß man eine solche Sprache wagt. Aber sie wissen, daß sie mit dem Herrn in Paris zusammengehen; das erklärt und rechtfertigt vielleicht ihre Kühnheit. Die größte Anzahl seufzt hier nach der alten Regierung; Neuerungssüchtige hoffen auf Verbindung mit den Herren jenseits des Berges oder gar mit den Franzosen; die jetzige Regierung hat den kleinsten Anhang. Der König ist nicht gemacht, ihn zu vergrößern; das hat man sehr wohl gewußt, sonst hätte man ihn nicht zum Schattenspiel brauchen können. In der Stadt läuft die Anekdote sehr laut herum, daß er in seinem Privattheater den Balordo vortrefflich macht, und niemand wundert sich darüber.
    Es wurde hier über Meyers Nachrichten von Bonapartes Privatleben gesprochen; und Leclerc, der ihn doch wohl etwas näher kennen muß, soll darüber ganz eigene Berichtigungen gemacht haben. Die Feinheit der Kardinäle zeigte sich vorzüglich in der Papstwahl. Pius der Siebente war, als Bischof von Imola, Bonapartes Gastfreund gewesen; auf diesen Umstand und den individuellen Charakter des korsischen Beherrschers der Franzosen ließ sich schon etwas bauen. Du siehst, es ist gegangen. Vielleicht halfen die Rothüte dem Korsen erst, deutlich sein System entwickeln. In Imola kann man gut Maskerade spielen. Der Papst und seine Gesellen vergessen das Gebot des heiligen Anchises noch nicht, das er seinem frommen Sohne beim Abschied aus der Hölle gab; und wo ein Mittel nicht hilft, hilft das andere. In eine eigene Verlegenheit kamen indessen die Herren mit der Madonna von Loretto, welche bekanntlich die Franzosen mit sich genommen hatten. Ein Mönch kommt nach ihrer Entfernung und sagt: Das habe ich gefürchtet, daß sie das heilige Wunderbild wegführen würden, deswegen habe ichs verborgen und ein anderes dafür hingestellt, hier ist das echte. Dieses wird nun den Gläubigen zur Verehrung hingesetzt, ohne daß man in Rom sogleich etwas davon erfährt – Ich habe es in Loretto selbst gesehen, mich aber um die Echtheit des einen und des andern wenig bekümmert. – Nun unterhandelt man in Rom über das Pariser, und die Franzosen schicken es mit Reue zurück. Es kommt in Rom an, wo es noch stehen soll. Nun fragt sich, welches ist das echte? Eins ist so schlecht wie das andere, und beide tun natürlich Wunder in die Wette! Von den hiesigen Merkwürdigkeiten ist das Beste in Palermo, die Mediceerin, die Familie der Niobe und die besten Bilder; wenigstens hat man mich in dem leeren Saale so berichtet; doch hat die Gallerie immer noch sehr interessante Sachen vorzüglich für die Deutschen. Mit der Mediceischen Venus ist es mir sonderbar genug gegangen. Ich wünschte vorzüglich, auf meiner Pilgerschaft das Wunderbild zu sehen, und es ist mir nicht gelungen. In Palermo habe ich mit Sterzinger in dem nämlichen Hause gegessen, wo oben die Schätze unter Schloß und Siegel und Wache standen. Sie waren durchaus nicht zu sehen. Der Inspektor von Florenz, der mit in Palermo war, hatte Hoffnung gemacht, ehe alles wieder zurückginge, würde er die Stücke zeigen. In Rom und Neapel wußte man öffentlich gar nicht recht, wo sie waren, denn man hatte absichtlich ausgesprengt, das Schiff, welches alles aus Livorno nach Portici und weiter nach Palermo schaffen sollte, sei zugrunde gegangen, um die Aufmerksamkeit der Franzosen abzuziehen. Es steht aber zu befürchten, sie werden eine gute Nase haben und sich die Dame mit ihrer Gesellschaft nachholen. So viel ich Abgüsse davon gesehen habe, keiner hat mich befriedigt. Sie ist, nach meiner Meinung, wohl keine himmlische Venus, sondern ein gewöhnliches Menschenwesen, das die Begierden vielleicht mehr reizen als beschwichtigen kann. Mir kommt es vor, ein Künstler hat seine schöne Geliebte zu einer Anadyomene gemacht; das Werk ist ihm ungewöhnlich gelungen, das ist das Ganze. Über die Stellung sind alle Künstler, welche Erfahrung haben, einig, daß es die gewöhnlichste ist, in welche sich die Weiblichkeit setzt, sobald das letzte Stückchen Gewand fällt, ohne je etwas von der Kunst gehört zu haben. Ich selbst hatte einst ein eigenes ganz naives Beispiel davon, das ich Dir ganz

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