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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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nicht, und die Einführung ist eben kein Vorzug der christlichen. Sie kann nur im Evangelium der Despoten stehen, welche sie aber für sich selbst doch sehr entbehrlich finden. Es ist freilich auch philosophisch besser, Unrecht leiden, als Unrecht tun; aber es gibt ein Drittes, das vernünftiger und edler ist als beides, mit Mut und Kraft verhindern, daß durchaus kein Unrecht geschehe. In unserm lieben Vaterlande hat man das Kreuz zwar meistens weggenommen, aber dafür den Galgen hingesetzt. So schlecht auch dieser ist, kommt er mir doch etwas besser vor. Das Kreuz verhält sich zum Galgen wie die Mönche zu den Soldaten, die ersten sind die Instrumente und die zweiten die Handlanger der geistlichen und weltlichen Despotie, die permanente Guillotine der Vernunft. Christus hat gewiß seiner Religion keinen so jämmerlichen Anstrich geben wollen, als sie nachher durch ihre unglücklichen Bonzen bekommen hat. Freilich, wenn man den Gekreuzigten nicht an allen Feldwegen zeigte, könnte es doch wohl der Menge einfallen, ihre Unbefugnisse etwas näher zu untersuchen und zu finden, daß keine Konsequenz darin ist, sich durch den Druck des Feudalsystems und durch das Privilegienwesen ohne Aufhören kreuzigen zu lassen. Berechnet ist es ziemlich gut, wenn es nur gut wäre.
    Bei Pietramala sah ich oben den zweideutigen Vulkan nicht, weil er zu weit rechts hinüber in den Felsen lag und der Wagen nicht anhalten wollte. Nun hatten wir von den Ölbäumen Abschied genommen, auf dieser Seite des Apennins sind sie nicht mehr zu finden. Auf der Südseite sind Ölbäume, auf der Nordseite nach Bologna herüber Kastanien. Man kommt nun wieder dem lieben Vaterlande näher; alles gewinnt diesseits des Berges schon eine etwas mehr nördliche Gestalt. Mein alter gelehrter Cicerone in Bologna hatte eine große Freude, mich glücklich wiederzusehen, und ich lief mit ihm so viel herum, als man in zwei Tagen laufen konnte. Aber der Schweizer Kriegskommissär führte mich mehr in die Kaffeehäuser als in die Museen. Ein polnischer Hauptmann von der Legion, der, wie ich in Mailand fand, eigentlich nur Fähnrich war und sich selbst einige Grade avanciert und hier geheiratet hatte, schloß sich geflissentlich an uns an und freute sich, mit Deutschen deutsch zu plaudern, denn er war lange kaiserlicher Unteroffizier gewesen. Der Mensch sagte, er sei in seinem Leben kein Republikaner gewesen – das ließ sich von einem polnischen Edelmann sehr leicht denken – und er sei nun froh, daß die H – e von Freiheit nach und nach wieder abgeschafft werde. Man hatte eben das Wappen über dem Generalzollhause geändert und anstatt der Freiheit die Gerechtigkeit hingesetzt, welches eigentlich eins ist. Die wahre Freiheit ist nichts anders als Gerechtigkeit, nur behüte uns der Himmel vor Freiheiten und Gerechtigkeiten! Sodann erhob er die Tapferkeit und die Kriegszucht der Polen, von der ich selbst Beweise hatte, und an welcher ich also nicht zweifelte.
    Von allen Merkwürdigkeiten, die ich in Bologna noch zu sehen genötigt war, will ich Dir nur die Gallerie Sampieri erwähnen. Sie ist nicht groß, aber köstlich. Die Plafonds sind von den drei Caracci, Hannibal, Ludwig und August, und könnten mit Ehren in Rom unter den besten stehen. Das schönste Stück der Sammlung, und nach einigen die beste Arbeit von Guido Reni, ist der reuige Petrus. Die Kunst mag allerdings dieses Urteil der Kenner rechtfertigen; aber mich hat weit mehr beschäftigt die Hagar von Guercino. Dieser Künstler hat den Mythus gefaßt, wie Rechtlichkeit und Humanität es fordern, nicht wie die leichtgläubige Frömmigkeit ihn herbetet. Hagar ist ein schönes, herrliches, Ehrfurcht gebietendes Weib, das in dem Gefühl seines Werts dasteht; der Vater der Gläubigen ist ein jämmerlicher Sünder unter dem Zepter seiner Ehehälfte, und diese kann halb versteckt ihre kleine, boshafte, neidische Seele kaum verbergen. Nur dem Knaben Ismael wäre vielleicht jetzt schon etwas mehr von dem kühnen Trotze zu wünschen, der ihn in der Folge so vorteilhaft auszeichnete. Es kann mit der Volksbildung nicht wohl weiter gedeihen, solange man noch dieses Buch als göttliche Norm der Moral aufdringt und jedes Jota desselben mit Theopneustie stempelt. Es enthält so vielen schiefen Sinn, so viele Unsittlichkeiten in Beispielen und Vorschriften, daß ich oft mit vieler Überlegung zu sagen pflege, der Himmel möge mich vor Davids Frömmigkeit und Salomons Weisheit behüten. Man windet sich aus

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