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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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brauchte mich nicht hineinzubemühen in die Stadt, deren Anblick auch sehr wenig Einladendes hatte; der Wirt erzählte unaufgefordert die Geschichte des seligen Herrn und machte mir mit der Landsmannschaft ein Kompliment. Es war gut, daß ich nicht hierbleiben konnte; ich glaube, ich wäre Küster bei dem Bischofe geworden und hätte hier lernen Wein trinken. Aus dem Munde des Wirts lautete die Grabschrift:
»Est, est, est, et propter nimium est dominus Fuggerus hic mortuus est.
« Ob nun der Herr Bischof, der sich hier an den herrlichen Wein in die selige Ewigkeit hinübertrank, wirklich aus unserm edeln Geschlecht dieses Namens war, das überlasse ich den geistlichen Diplomatikern. Ich lief rüstig vor dem Wagen her nach Bolsena zu, am See hin, nach Sankt Lorenz, dem Lieblingsorte Pius des Sechsten. Die ganze Gegend um Bolsena ist romantisch. Daß unten Altlorenzo so außerordentlich ungesund sein soll, kann ich nicht begreifen. Daran scheint nur die Indolenz der Einwohner schuld zu sein, die die Schluchten nicht genug aushauen und bearbeiten.
    Als eine Neuigkeit des Tages erzählte man hier die Geschichte von einem Komplott in Neapel. Murat, den ich selbst noch in Neapel gesehen habe, soll die Rädelsführer durch seine Versprechungen zur Entdeckung der ganzen Unternehmung sehr fein überredet und sodann die ganze Liste dem Minister überreicht haben. Weiß der Himmel, wieviel daran ist! Ganz ohne Grund ist das Gerücht nicht. Denn schon in Rom wurde davon gesprochen, und der König von Sardinien war aus Caserta daselbst angelangt, wie man laut sagte, aus Furcht vor Unruhen in Neapel, und wohnte im Palast Colonna. Die neapolitanische Regierung hatte dabei in ihrem Ingrimm ihre gewöhnliche alte, unüberlegte Strenge gebraucht. In Montefiascone traf ich einen Franzosen, der zweiundzwanzig Jahre in Livorno gehandelt hatte und ein gewaltiger Royalist war. »Ich wollte schon vor zwölf Jahren zurückgehen«, sagte er mir, »aber mein Vaterland ist diese ganze Zeit über eine Mördergrube und ein verfluchtes Land gewesen. Die Republikaner und Demokraten sind alle Bösewichter. Nun, da Bonaparte wieder König ist, werde ich nach Hause gehen und mein Alter in Ruhe genießen.« Der Mann sagte dieses alles mit den nämlichen Worten; ich bin nur Übersetzer.
    Acquapendente an dem Flusse macht eine schöne Partie und ist für den Kirchenstaat eine nicht unbeträchtliche Stadt. »Was das für eine närrische Benennung der Örter ist«, sagte ein Engländer, »Acquapendente und Acquafiascone.« Vor Radikofani an der Grenze bei Torricelli hatte man auch den Kurier geplündert, und ein toskanischer Dragoner war dabei umgekommen. Siena ist ziemlich leer. Der heilige Geruch des Erzbischofs benahm mir alle Lust, nur aus dem Wirtshause zu gehen. Es ist der nämliche Herr, der zur Zeit Josephs des Zweiten päpstlicher Legat in den Niederlanden war und daselbst allem Guten sehr tätig widerstrebte. Neuerlich in der Revolution hat er sich durch seine heroische Unvernunft ausgezeichnet. Die Juden mochten bei Ankunft der Franzosen den Glauben gewonnen haben, daß sie auch Menschen seien und sich also bürgerlich einige Menschlichkeiten erlaubt haben. Nach Abzug der Franken hielt der christgläubige Pöbel zu Siena im Sturm über die verruchten Israeliten Volksgericht und führte dreizehn der Elenden lebendig zum Scheiterhaufen. Einige mutige, vernünftige Männer baten den Erzbischof, sein Ansehn zu interponieren, damit die Abscheulichkeit nicht ausgeführt würde. Die Energie des Glaubens aber weigerte sich standhaft gegen die Zumutungen der Menschlichkeit, und die Unglücklichen wurden zum frommen Schauspiel der Christenheit lebendig gebraten. Als die Volksexekution nach Hause zog, gab der geistliche Vater den Kindern mit Wohlgefallen seinen Segen. Doch dieses ist in Italien noch Humanität.
    Von Siena nach Florenz ist ein schöner, herrlicher Weg; und sowie man Florenz näher kommt, wird die Kultur immer besser und endlich vortrefflich. Von Monte Cassino, dem letzten Ort vor Florenz, ist die schönste Abwechselung von Berg und Tal bis in die Hauptstadt. Was Leopold für Toskana getan hat, wird nun eilig alles wieder zerstört, und die Mönche fangen hier ihr Regiment ebenso wieder an wie in Rom. Der allgemeine große Wohlstand, der durch die österreichische, hier sehr liberale Regierung erzeugt worden war, wird indes nicht sogleich vertilgt. Hier sind Segen und Fleiß zusammen. Der neue König wird nicht geachtet; jedermann sieht ihn

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