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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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damals die Päpste mit Hilfe des abergläubischen Enthusiasmus zu Herren derselben gemacht; diese Gelegenheit kommt nie wieder. Ob die Menschheit dadurch gewonnen oder verloren hätte, ist eine schwere Frage. Es ist, als ob man der stillen Größe der alten Kunst mit diesem herkulischen Bau habe Hohn sprechen wollen. Du kennst das Pantheon als den schönsten Tempel des Altertums. Stelle Dir vor, einen verhältnismäßigen ungeheuern Raum als die Area des Heiligentempel zu einer großen Höhe aufgeführt, und oben das ganze Pantheon als Kuppel daraufgesetzt, so hast Du die Peterskirche. Das Riesenmäßige hat man erreicht. Wir saßen in dem Knopfe der Kuppel unser drei und übersahen die gefallene Roma. Diese Kirche wird einst mit ihrer Kolonnade die größte Ruine von Rom, sowie Rom vielleicht die größte Ruine der Welt ist.
    In dem benachbarten Vatikan beschäftigten mich nur Raphaels Logen und Stanzen und die Sixtinische Kapelle. Beide sind so bekannt, daß ich es kaum wage, Dir ein Wort davon zu sagen. Ein Engländer soll jetzt das jüngste Gericht von Michel Angelo in zwölf Blättern stechen. Das erste Blatt ist fertig und hat den Beifall der Kenner. Er sollte dann fortfahren und die ganze Kapelle nach und nach geben. Die Sibyllen haben ebenso herrliche Gruppierungen und sind ebenso voll Kraft und Seele.
    Vor der Schule Raphaels habe ich stundenlang gestanden und mich immer wieder hingewendet. Nach diesem Sokrates will mir kein anderer mehr genug tun. So muß Sokrates gewesen sein, wie dieser hier ist, und so Diogenes, wie dieser da liegt. Pythagoras hielt mich nicht so lange fest als Archimedes mit seiner Knabengruppe. In dieser hat vielleicht der Künstler das vollendetste Ideal von Anmut und Würde dargestellt. Ich sah den Brand und im Vorzimmer die Schlacht, aber ich ging immer wieder zu seiner Schule. Ich würde vor dem erhabenen Geiste des Künstlers voll drückender Ehrfurcht zurückbeben, wenn ich nicht an der andern Wand seinen Parnaß sähe, auf welchen er als den Apoll den Kammerdiener des Papstes mit der Kremoneser Geige gesetzt hat. Aber ich möchte doch lieber etwas angebetet haben, als eine solche Vermenschlichung sehen – den Apollo mit einer Kremoneser Geige! Die Logen fangen an, an der Luftseite stark zu leiden. Sie sind ein würdiger Vorhof des Heiligtums und vielleicht reicher als das Adyton selbst. Hier konnten die Gallier nichts antasten; sie hätten denn als Vandalen zerstören müssen, und das sind sie doch nicht, ihre Feinde mögen sagen, was sie wollen. Ich müßte Dir von Rom allein ein Buch schreiben, wenn ich länger bliebe und länger schriebe; und ich würde doch nur wenig erschöpfen.
    Zum Schluß schicke ich Dir eine ganz funkelnagelneue Art von Zentauren, von der Schöpfung eines unserer Landsleute. Aber ich muß Dir die Schöpfungsgeschichte erzählen, damit Du das Werk verstehst.
    Es hält sich seit einigen Jahren hier ein reicher Brite auf, dessen grilliger Charakter, gelinde gesprochen, durch ganz Europa ziemlich bekannt ist, und der weder als Lord eine Ehre der Nation noch als Bischof eine Zierde der Kirche von England genannt werden kann. Dieser Herr hat bei der Impertinenz des Reichtums die Marotte, den Kenner und Gönner in der Kunst zu machen und den Geschmack zu leiten, und zwar so unglücklich, daß seine Urteile in Italien hier und da bei Verständigen fast schon allein für Verdammung gelten. Vorzüglich haßt er Raphael und zieht bei jeder Gelegenheit seine
deos minorum gentium
auf dessen Unkosten hervor. Indessen er bezahlt reich, und es geben sich ihm, zur Erniedrigung des Genius, vielleicht manche gute Köpfe hin, die er dann ewig zur Mittelmäßigkeit stempelt. Viele lassen sich vieles von dem reichen Briten gefallen, der selten in den Grenzen der feineren Humanität bleiben soll. Für einen solchen hielt er nun auch unsern Landsmann; dieser aber war nicht geschmeidig genug, sein Klient zu werden. Er lief und ritt und fuhr mit ihm und lud ihn oft in sein Haus. Der Lord fing seine gewöhnlichen Ungezogenheiten gegen ihn an, fand aber nicht gehörigen Knechtsgeist. Einmal bat er ihn zu Tische. Der Künstler fand eine angesehene Gesellschaft von Fremden und Römern, welcher er von dem Lord mit vielem Bombast als ein Universalgenie, ein Erzkosmopolit, ein Hauptjakobiner vorgestellt wurde. Jakobiner pflegt man dort, wie fast überall, jeden zu nennen, der nicht ganz untertänig geduldig der Meinung der gnädigen Herren ist und sich's wohl gar beigehen läßt,

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