Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
Vom Netzwerk:
freundliche Aufnahme des Generals hielt mich mehrere Tage länger hier, als ich zu bleiben gesonnen war; und in den Mußestunden lese ich mit viel Genuß Wielands Oberon, den mir ein Landsmann brachte. Die ersten Tage hatte man mich im Wirtshause mit einem gewissen Mißtrauen wie einen gewöhnlichen Tornisterträger behandelt; da ich aber täglich zum General ging, feine Hemden in die Wäsche gab, artige Leute zum Besuch auf meinem Zimmer empfing, und vorzüglich wohl, da ich einige schwere Goldstücke wechseln ließ, ward das ganze Haus vom Prinzipal bis zum letzten Stubenfeger ungewöhnlich artig. Noch muß ich Dir bemerken, daß ich in Mailand von ganz Italien nach meinem Geschmack die schönsten Weiber gefunden habe, auch den Corso in Rom nicht ausgenommen. Ich urteile nach den Promenaden, die hier sehr volkreich sind, und nach den Schauspielen. Hier im Hause hatte ich nun vermutlich, wie in Italien oft, das Unglück, für einen reichen Sonderling zu gelten, den man nach seiner Weise behandeln müsse. Ich mochte in Unteritalien und Sizilien oft protestieren, so viel ich wollte, und meine Deutschheit behaupten, so war ich
Signor Inglese
und
Eccellenza
; und man machte die Rechnung darnach. So etwas mochte man auch nach verjüngten Maßstabe in Mailand denken. Die Industrie ist mancherlei. Ich saß an einem Sonntag morgens recht ruhig in meinem Zimmer und las wirklich zufällig etwas in den Libertinagen Katulls; da klopfte es und auf meinen Ruf trat ein Mädchen ins Zimmer, das die sechste Bitte auch ohne Katull stark genug dargestellt hätte. Die junge, schöne Sünderin schien ihre Erscheinung mit den feinsten Hetärenkünsten berechnet zu haben. Ich will durch ihre Beschreibung mein Verdienst weder als Stilist noch als Philosoph zu erhöhen suchen.
»Signore, comanda qualche cosa?
« fragte sie in lieblich lispelndem Ton, indem sie die niedliche Hand an einem Körbchen spielen ließ und Miene machte es zu öffnen. Ich sah sie etwas betroffen an und brauchte einige Augenblicke, ehe ich etwas unschlüssig
»No
« antwortete.
»Niente?
« fragte sie, und der Teufel muß ihr im Ton Unterricht gegeben haben. Ich warf den Katull ins Fenster und war höchstwahrscheinlich im Begriff, eine Sottise zu sagen oder zu begehren, als mir schnell die ernstere Philosophie still eine Ohrfeige gab.
»Niente
«, brummte ich grämelnd, halb mit mir selbst im Zwist; und die Versucherin nahm mit unbeschreiblicher Grazie Abschied. Wer weiß, ob ich nicht das Körbchen etwas näher untersucht hätte, wenn die Teufelin zum drittenmal mit der nämlichen Stimme gefragt hätte, ob gar nichts gefiele. So war die Sache, mein Freund; und wäre sie anders gewesen, so bin ich nicht so engbrüstig und könnte sie Dir anders oder gar nicht erzählt haben. Ich ging also nur leidlich mit mir selbst zufrieden zum General.

Zürich

    Nun bin ich bei den Helvetiern und fast wieder im deutschen Vaterlande und bereite mich, in einigen Tagen einen kleinen Abstecher zu den Galliern zu machen. Viel Erbauliches wird nach allen Aspekten dort jetzt füglich nicht zu sehen und zu hören sein, indessen da ich einmal in Bewegung bin, will ich doch an die Seine hinunterwandeln. Wenn ich wieder fest sitze, möchte es etwas schwer halten.
    Den vierzehnten Juni ging ich aus Mailand und ging diesen Tag herüber nach Sesto am Ticino, den ich nicht für so beträchtlich gehalten hätte, als ich ihn fand. In der Gegend von Mailand war schon eine Menge Getreide geerntet, und alles war in voller Arbeit; und als ich über den Berg herüberkam, fing das Korn nach Altdorf herunter eben erst an zu schossen, das ist merklicher Kontrast. Die größte Wohltat war mir nun wieder das schöne Wasser, das ich überall fand. Von Mailand hatte ich die beschneiten Alpen mit Vergnügen gesehen, und nun nahte ich mich ihnen mit jedem Schritte und kam bald selbst hinein. Von Sesto aus fuhr ich auf dem Tessino und den Lago Maggiore herauf, bloß um die schöne Gegend zu genießen, die wirklich herrlich ist. Ich kam aus Unteritalien und Sizilien und gab mir also keine große Mühe, die Borromeischen Inseln in der Nähe zu sehen, da mein Schiffer mir sagte, es würde mich einen Tag mehr und also wohl zwei Dukaten mehr kosten. Ich sah also bei Varone links an der Anhöhe den gigantischen heiligen Karl Borromeo aus der Ferne und fuhr dann sowohl bei der schönen Insel als bei der Mutterinsel vorbei. Man hätte mir höchstwahrscheinlich dort nur Orangengärten gezeigt, die ich in Unteritalien

Weitere Kostenlose Bücher