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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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mica
«, sagte der Gefreite von der Hauptwache, der noch dabeistand. Der Offizier sagte mir, er könne mir jetzt nicht helfen; ich könne morgen wieder hereinkommen und dann tun was ich wolle. Jetzt ging ich trotzig den Weg zum Tore hinaus. Der Gefreite hätte keine bessere Charakteristik von Parma und den Parmesanern geben können: »
Ma, mio caro,
non possono mica.
« Ärgerlich und halb lachend ging ich in ein Wirtshaus eine gute Strecke vor dem Tore. Das nenne ich mir eine aufmerksame, besorgliche Polizei! Ich hatte mir in Reggio den Bart machen lassen, ein reines, feines Hemd angezogen, mich geputzt und gebürstet. Ihre problematischen Landsleute zwischen Alicate und Terra Nuova und ihre nicht problematischen Landsleute zwischen Gensano und Aricia hatten mir zwar bei ihrer braven Visitation einige Schismen in Rock und Weste gebracht, aber dessen ungeachtet hatte man noch in Bologna in guter Gesellschaft meinen Aufzug für sehr
polito
erklärt. Ich zog bei dem Offizier einige Male meine goldne Uhr und erbot mich, zehn Louisd'or Kaution zu machen, und im Passe war ich stattlich mit Signor betitelt; nichts, man gestattete mir kein Quartier in der Stadt. Und nun denkst Du, daß ich den andern Morgen hineinging und mich des fernen erkundigte? Das ließ ich hübsch bleiben. Wenn ich im Himmel abgewiesen werde, komme ich nicht wieder, diese Ehre erhalten die Parmesaner nicht. Ich aß gut und schlief gut und schlug den andern Morgen den Weg nach Piacenza ein. Man merkte sogleich, daß die Leute hier in Parma noch orthodox und nicht von der Ketzerei ihrer Nachbarn angesteckt sind; denn ich sah hier weder viele Dolche und Schießgewehre wie bei den Italienern jenseits der Berge. Die Nachtigallen sangen folgenden Morgen so herrlich und so schmetternd, und ich wunderte mich, wie sie in der Nähe eines so konfiszierten Orts noch einen Ton anschlagen könnten. Aber sie schlugen fort, und endlich vergaß ich das Eis, den Käse, Bodoni und Mica und wandelte auf den Po zu. Ich hatte in Rom ein herrliches Gemälde von dem Übergange über den Fluß aus dem letzten Kriege gesehen, der Künstler war hier gewesen und hatte nach der Natur gearbeitet und ein Meisterstück der Perspektive gemacht. Jetzt suchte ich mich zu orientieren. Der Ort ist sehr leer und öde, aber der Fluß macht schöne Partien.
    In Lodi aß ich wohl ruhiger zu Mittage als Bonaparte, wenn ich mir gleich nicht so viel Ruf erwarb, und konnte gemächlich den Posten besehen, wo man geschlagen hatte. Unter andern guten Sachen traf ich hier die schönsten Kirschen, die ich vielleicht je gegessen habe. Wenngleich das alte Laus Pompeji nicht gerade hier lag, so ist doch wohl der Name daraus gemacht und der Ort daraus entstanden, wenigstens wird das hier auf einem Marmor am Rathause behauptet. Die Männer von Lodi müssen ein sinnreiches Geschlecht sein, das sah man an ihren Schildern. Unter andern hatte ein Schuhmacher auf dem seinigen einen Genius, der sehr geistreich das Maß nahm.
    Hier in Mailand verlasse ich nun Hesperien ganz und bin schon längst nicht mehr im Lande, wo die Zitronen blühn. In Rom sagte man, daß das Erdbeben vorigen Monat den Dom von Mailand sehr beschädigt habe; es ist aber kein Stein heruntergeworfen worden. Dieses gothische Gebäude streitet vielleicht mit dem Münster in Straßburg um den Vorzug, ob es gleich nicht vollendet ist und es nun vielleicht auch nie werden wird. In der Kapitale der italischen Republik geht alles nach gallischen Gesetzen; und hier und dort, wie Du weißt, alles nach dem Willen des korsischen Autokrators. Wenn es nur gut ginge, wäre vielleicht nicht viel dawider zu sagen. Man scheint hier der goldenen Freiheit nicht durchaus außerordentlich hold zu sein. Einer meiner Bekannten begleitete mich etwas durch die Stadt und unter andern auch in die Kathedrale. Hinter der kunstreichen Krypte des heiligen Borromeo steht in einer Nische der geschundene heilige Bartolomeo, mit der Haut auf den Schultern hangend. Er gilt für eine gräßlich schöne Anatomie. Der Italiener stand und betrachtete ihn einige Minuten: »Das sind
wir
, sagte er endlich; die Augen hat man uns gelassen, damit wir unser Elend sehen können.« Die Franzosen machen eine schöne Parade vor dem Pallast der Republik; nur wird es mir schwer, die allgewaltigen Sieger in ihnen zu erkennen, vor denen Europa gezittert hat. Das alte weitläuftige Schloß vor der Stadt wird sehr verengt und vor demselben der Platz Bonaparte gemacht, jetzt ist dort noch alles

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