Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
EINFÜHRUNG
Seit ein paar Monaten notiere ich alles, was ich zum Wohle meiner Gesundheit unbedingt tun sollte. Inzwischen ist die Liste besorgniserregend lang. 53 Seiten. Hier ein kleiner Auszug:
Blattgemüse essen,
täglich 40 Minuten Ausdauertraining machen,
mehrmals wöchentlich meditieren,
Baseballspiele anschauen (hat einer Studie zufolge blutdrucksenkende Wirkung),
Nickerchen machen (gut für Herz und Gehirn),
summen (beugt Nasennebenhöhlen-Entzündungen vor),
einen Oscar gewinnen (ein nicht ganz realistisches Vorhaben, ich weiß. Doch Studien belegen, dass Oscar-Preisträger im Schnitt drei Jahre länger leben als Nicht-Oscar-Preisträger),
die Zimmertemperatur konstant bei 16,6 Grad halten, weil das den Kalorienverbrauch des Körpers erhöht,
eine Arecapalme im Pflanztopf kaufen (zur Reinigung der Raumluft),
Krafttraining bis zum Muskelversagen,
zur Einwohnerin von Okinawa werden (ein weiteres eher realitätsfernes Vorhaben).
Undsoweiterundsoweiter.
Die Liste habe ich übrigens in 9-Punkt-Papyrus-Schrift ausgedruckt, weil ich auf eine Studie gestoßen bin, der zufolge Texte in schwer entzifferbaren Schrifttypen besser im Gedächtnis haften bleiben.
Ich bin fest entschlossen, alles zu tun, was auf meiner Liste steht. Denn ich will nicht einfach ein bisschen gesünder leben. Ich will nicht einfach nur ein paar Kilo abnehmen. Nein, ich will mein derzeitiges Ich vom verweichlichten, unsportlichen, durchschnittlich krankheitsanfälligen Moppel in den Inbegriff von Gesundheit und Fitness verwandeln. Ich will so gesund werden, wie es nach menschlichem Ermessen nur irgend möglich ist.
Das Thema Fitness & Gesundheit fasziniert mich schon seit Jahren. Doch der Gedanke, mich ihm mit Leib und Seele zu verschreiben, kam mir erst kürzlich, während eines einwöchigen Ferienaufenthalts in der Dominikanischen Republik. Das Ganze war gedacht als erholsamer Familienurlaub. Sandburgen bauen, Boggle spielen und Limo grundsätzlich ohne Eis bestellen. Das war der Plan.
Doch statt an karibischen Stränden landete ich in einem karibischen Krankenhaus, wo ich drei Tage wegen schwerer Lungenentzündung behandelt wurde. Mit Jetlag-Problemen hatte ich durchaus gerechnet, sogar mit einer Magenverstimmung. Aber eine bakteriell hervorgerufene Lungenentzündung? Das kam dann doch etwas überraschend.
Immer wieder lese ich, wie wichtig es ist, dankbar zu sein. Also versuchte ich keuchend und schlotternd, meiner Zwangslage auf der dünnen Krankenhausmatratze ein paar positive Seiten abzugewinnen. Zum Beispiel die Tatsache, dass ich meinen aktiven Spanisch-Wortschatz dank meiner Situation um Wörter wie »Lunge« und »Schmerzen« (»pulmón« und »dolor«) erweitern konnte. Und dass ich im Morgengrauen vom Krähen der Hähne direkt unterhalb meines Krankenzimmers geweckt wurde, was zumindest geringfügig angenehmer ist, als von den Alarmanlagen geparkter New Yorker Autos aus dem Schlaf gerissen zu werden.
Diese Betrachtungen erwiesen sich leider als wenig hilfreich. Doch dann kam ich auf eine unleugbar gute Seite meiner Lage. Einen geradezu lebensverändernden Grund zur Dankbarkeit: Was ich durchlebte, war de facto nichts anderes als ein 72-stündiges Memento mori. Denn dieser Krankenhausaufenthalt gehörte zu den wenigen Situationen meines Lebens, in denen ich mir sicher war, mich demnächst von meinem irdischen Dasein verabschieden zu müssen. Okay, diese Angst zeugt vielleicht von einem gewissen Hang zur Melodramatik, aber zu meiner Verteidigung sei gesagt: Wenn Sie an einen Tropf angeschlossen wären, durch den Ihnen intravenös ein ganzes Sortiment Flüssigkeiten (farblos, gelb, blau, rosa) unbekannter Wirkung zugeführt wird; wenn Sie mitbekämen, wie Ärzte mit gedämpfter Stimme miteinander konferieren und dabei immer wieder verstohlen zu Ihnen hinüberschauen; wenn Ihnen jeder Atemzug höllische Schmerzen bereitete; wenn Ihr Verstand völlig fiebervernebelt wäre – dann würden Sie vermutlich genau dasselbe denken wie ich damals: Hier komme ich nicht mehr raus. Es sei denn mit den Füßen voraus.
Eine so übermächtige Angst hatte ich noch nie zuvor verspürt. Was wahrscheinlich an meinen drei kleinen Söhnen lag. Ich will sie doch noch aufwachsen sehen, dachte ich. Ich will natürlich dabei sein, wenn sie Schulabschluss, Examen und Hochzeit feiern – aber ich will auch miterleben, wie sie sich beim Karaoke zum ersten Mal einen Song von Led Zeppelin aussuchen. Und wie sie in ihre erste Chilischote beißen. Ich will
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