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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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wüste und leer.
    Vor allen Dingen besuchte ich noch das berühmte Abendmahlsgemälde von Leonardo da Vinci in dem Kloster der heiligen Maria. Das Kloster ist jetzt leer, und das Refektorium, wo das Gemälde an der Wand ist, war während der Revolution, wie man sagt, einige Zeit sogar ein Pferdestall. Das Stück ist einige Male restauriert. Volpato hat es zuletzt gezeichnet und Morghen gestochen, und wahrscheinlich ist der Stich, der für ein Meisterstück der Kunst gilt, auch bei euch schon zu haben; Du magst ihn also sehen und urteilen. Ich sah ihn in Rom zum ersten Male. Auch in dem verfallenen Zustande ist mir das Original noch weit lieber als der Stich, so schön auch dieser ist. Volpato ist vielleicht etwas willkürlich bei der Kopierung zu Werke gegangen, da das Stück dem gänzlichen Verfalle sehr nahe ist. Wir sind indessen dem Künstler Dank schuldig für die Rettung. Ich sage nichts von dem schönen Charakter der übrigen Jünger; mit vorzüglich feinem Urteil hat der Maler den Säckelmeister Judas Ischariot behandelt, damit er die ehrwürdige Gesellschaft nicht durch zu grellen Kontrast schände. Auch der Geist des Mannes ist nicht verfehlt. Er sitzt da wie ein kühner, tiefsinniger, mit sich selbst nicht ganz unzufriedener Finanzminister, der einen großen Streich wagt; er rechnete für die Gesellschaft, nicht für sich. Auch psychologisch ist Ischariot noch kein Bösewicht, nur ein Unbesonnener. Ein Bösewicht hätte sich nachher nicht getötet. Er glaubte, der Prophet würde sich mit Ehre retten. Ich möchte freilich nicht Judas sein und meinen Freund auf diese Weise in Gefahr setzen; aber vielleicht eben nur darum nicht, weil ich nicht so viel Glauben habe als er. – Jetzt muß man auf einer Leiter hinuntersteigen in den Saal, der untere Eingang ist vermauert, und nun leidet das Stück durch feuchte, dumpfe Luft vielleicht ebensosehr als vorher durch andere üble Behandlung.
    Hier sah ich seit der heiligen Cecilie in Palermo wieder das erste Theater. In Neapel brachte mich Januar darum, weil acht Tage vor und acht Tage nach seinem Feste kein Theater geöffnet wird. Ohne Spiel wollte ich auch das Karlstheater nicht sehen. In Rom machten mir meine Freunde eine so schlimme Schilderung von dem dortigen Theaterwesen, daß ich gar nicht Lust bekam, eins zu suchen. Man sagt, das Haus sei hier ebenso groß als das große in Neapel. Der Gesang war nicht ausgezeichnet und für das große Haus zu schwach. Man erzählte mir hier eine Anekdote von Demoiselle Strinasacchi, die jetzt in Paris ist. Ich gebe sie Dir, wie ich sie hörte, sie ist mir wahrscheinlich, weil uns etwas Ähnliches mit ihr in Leipzig begegnete, nur daß weder unser Mißfallen, noch unser Enthusiasmus so weit ging als die italienische Lebhaftigkeit. Die Natur hat ihr nicht die Annehmlichkeiten der Person auf dem Theater gegeben. Bei ihrer ersten Erscheinung erschrak hier das ganze Haus so sehr vor ihrer Gestalt und geriet so in Unwillen, daß man sie durchaus nicht wollte singen lassen. Der Direktor mußte erscheinen und es sich als eine große Gefälligkeit für sich selbst erbitten, daß man ihr nur eine einzige Szene erlaubte, dann möchte man verurteilen, wenn man wollte. Die Wirkung war vorauszusehen; man war beschämt und ging nun in einen rauschenden Enthusiasmus über, und nach Endigung des Stücks spannte man die Pferde vom Wagen und fuhr die Sängerin durch einen großen Teil der Stadt nach Hause. Es wäre eine psychologisch nicht unwichtige Frage, das aufrichtige Bekenntnis der Weiber zu hören, ob sie das zweite für das erste erkaufen wollten. Die Heldin selbst hat keine Stimme mehr über die Sache.
    Das Ballet war schottisch und sehr militärisch. Man arbeitete mit einer großen Menge Gewehr und sogar mit Kanonen, und das Ganze machte sich auf dem großen Raume sehr gut. Der Charaktertanz war aber mangelhaft, vorzüglich bei der Mutter. Man hatte gute Springer, aber keine Tänzer; ein gewöhnlicher Fehler, wo das Ganze nicht mit einer Seele arbeitet! Ich habe nie wieder so gute Pantomime gesehen als in Warschau aus der Schule des Königs Poniatowsky. An ihm ist ein großer Balletmeister verloren gegangen und ein schlechter König gewonnen worden.
    In Rom hatte ich einige Höflichkeitsaufträge an den General Dombrowsky erhalten, und er nahm mich mit vieler Freundlichkeit auf und lud mich mit nordischer Gastfreiheit auf die ganze Zeit meines Hierseins an seinen Tisch. Hier fand ich mit ihm und anderen von Polen aus Berührung. Ich

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