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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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besser gesehen habe, und hätte mir gesagt, hier hat Joseph, hier Maria Theresia und hier Bonaparte geschlafen. Das wäre mir denn zusammen kaum so wichtig gewesen, als da mich der Kastellan von dem Schlosse zu Weißenfels belehrte, hier in diesem Bette schlief Friedrich der Zweite nach der Schlacht bei Roßbach. Die Fruchtbarkeit an dem See ist hier zuweilen außerordentlich groß, und wo die Gegend von den rauheren Winden geschützt wird, findet man hier Früchte, die man in der ganzen Lombardei umsonst sucht. Man sieht noch recht schöne Ölbäume, die man diesseits der Apenninen nur selten findet, und sogar indische Feigen in der freien Luft. Ich schlief am Ende des Sees in Magadino, wo der obere Tessin hineinfällt, in einem leidlichen Hause, schon zwischen rauhen Bergen. Den andern Morgen trat ich den Gang an dem Flusse herauf über Belinzona an, der mich nach einigen Tagen über den Gotthard herüber brachte. Zwei Tage ging ich am Flusse immer bergauf. Die Hitze war unten in der Schlucht ziemlich drückend, bis nach Sankt Veit, wo man, ich glaube zum Fronleichnamsfeste, einen Jahrmarkt hielt, der mir besser gefiehl als der Ostermarkt in Palermo, obgleich für mich weiter nichts da war als Kirschen. Den ersten Abend blieb ich in einem kleinen Orte, dessen Name mir entfallen ist. Der Tessin stürzte unter meinem Fenster durch die Felsen hinunter; gegenüber lag am Abhange ein Kloster, und hinter demselben erhob sich eine furchtbar hohe Alpe in schroffen Felsenmassen, deren Scheitel jetzt, fast zu Johannis, mit Schnee bedeckt war. Die Bewirtung war besser, als ich sie in diesen Klüften erwartet hätte; vorzüglich waren die Forellen aus dem Tessin köstlich. Die Leute schienen viel ursprüngliche Güte zu haben. Mein größter Genuß waren überall die Alpenquellen, vor denen ich selten vorbeiging, ohne zu ruhen und zu trinken, wenn auch beides nicht nötig war, und in den Schluchten um mich her zu blicken und vorwärts und rückwärts die Gegenstände festzuhalten. Jetzt schmolz eben der Schnee auf den Höhen der Berge, und oft hatte ich vier bis sechs Wasserfälle vor den Augen, die sich von den nackten Häuptern der Alpen in hundert Brechungen herabstürzten, und von denen der kleinste doch immer eine sehr starke Wassersäule gab. Der Tessin macht auf dieser Seite schönere Partien als die Reuß auf der deutschen; und nichts muß überraschender sein, als hier hinauf und dort hinunter zu steigen. Ayrolles war mein zweites Nachtlager. Hier sprach man im Hause Deutsch, Italienisch und Französisch fast gleich fertig, und der Wirt machte mit seiner Familie einen sehr artigen Zirkel, in dem ich sogleich heimisch war. Suworow hatte einige Zeit bei ihm gestanden, und wir hatten beide sogleich einen Berührungspunkt. Er war ganz voll Enthusiasmus für den alten General und rühmte vorzüglich seine Freundlichkeit und Humanität, welches vielleicht vielen etwas sonderbar und verdächtig vorkommen wird. Aber ich sehe nicht ein, was den Wirt in Ayrolles oben am Gotthard bestimmen sollte, eine Sache zu sagen, die er nicht sah. Suworow war nicht der einzige General, der ihm im Kriege die Ehre angetan hatte, bei ihm zu sein, er zeichnete sie alle, wie er sie gefunden hatte. Mehrere davon sind allgemein bekannt. Ich habe das zweideutige Glück gehabt, für den Enkomiasten des alten Suworow zu gelten, und ich suchte doch nur seinen wahren Charakter zu retten und einige Phänomene zu erklären, die ihm zur Last gelegt werden. In Prag hat er zu einem häßlichen Gemälde gesessen. Der Löwe ist tot und nun wird zugeschlagen. Ich weiß sehr wohl, daß das ganze Leben dieses Mannes eine Kette von Eigenheiten war; aber wenn man seine Nichtfreunde in Prag und Wien hörte, wäre er ein ausgemachter alter, mürrischer Geck von einem weggeworfenen Charakter gewesen; und der war er doch gewiß nicht. Sonderbarkeit war überhaupt sein Stempel, und in Prag war er in einer eigenen Stimmung gegen ihn. Die politischen Verhältnisse lassen vermuten, in welcher peinlichen Lage er damals von allen Seiten sich befand. Weder sein eigener Monarch noch der österreichische Hof waren mit seinem Betragen zufrieden. Er hatte ohne Schonung über Fehler aller Art und ohne Rücksicht der Personen gesprochen. Er war alt und kränklich und sah dem Ende seines Lebens entgegen. Seine Grillen konnten unter diesen Umständen sich nicht vermindern. Die Ungezogenheiten einiger seiner Untergebenen wurden wahrscheinlich ihm zur Last gelegt; und er selbst war

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