Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
und sah die Verschüttungen des Forts und die neuen Einrichtungen der Regierung von Baden. Es ist schon sehr viel wieder aufgebaut. Daß ich mich etwas auf dem Münster umsah, brauche ich Dir wohl nicht zu sagen. Man hat eine herrliche Aussicht auf die ganze, große, schöne, reiche Gegend und den majestätischen Fluß hinauf und hinab. Es wäre vielleicht schwer zu bestimmen, ob der Dom in Mailand oder diese Kathedrale den Vorzug verdient. Diese beiden Gebäude sind wohl auf alle Fälle die größten Monumente gotischer Baukunst. Als ich in der Thomaskirche das schlecht gedachte und schön gearbeitete Monument des Marschall Moritz von Sachsen betrachtete, kamen einige französische Soldaten zu mir, die sich wunderten, wie hierher ein Kurfürst von Sachsen käme, und ich mußte ihnen von der Geschichte des Helden so viel erzählen, als ich wußte, um sie mit sich selbst in Einigkeit zu setzen. Auf der Polizei wunderte man sich, daß mein Paß nirgends unterschrieben war, und ich wunderte mich mit und erzählte meine ganze Promenade von Basel bis Paris und von Paris bis Straßburg; da gab man auch hier das Papier ohne Unterschrift zurück.
Nun fuhren wir über Weißenburg, Landau, Worms und so weiter nach Mainz. Nach meiner alten Gewohnheit lief ich bei dem Wechsel der Pferde in Landau voraus und hatte wohl eine Stunde Weges gemacht. Die Deutschen der dortigen Gegend und tiefer jenseits des Rheins herauf haben einen gar sonderbaren Dialekt, der dem Judenidiom in Polen nicht ganz unähnlich ist. Ich glaube doch ziemlich rein und richtig Deutsch zu sprechen; desto schnurriger mußte es mir vorkommen, daß ich dort wegen eben dieser Aussprache für einen Juden gehalten wurde. Ich saß nämlich unter einem Nußbaum und aß Obst, als sich ein Mann zu mir setzte, der rechts hereinwanderte. Ich fragte, ob ich nicht irren könnte, und ob die Diligence hier notwendig vorbei müßte? Er bejahte dieses. Ein Wort gab das andere, und er fragte mich in seiner lieblichen Mundart: »Der Härr sain ain Jüd, unn rähsen nacher Mähnz?« – »Ich reise nach Mainz aber ich bin kein Jude. Warum glaubt Er, daß ich ein Jude sei?« – »Wähl der Härr okkeroth sprücht wü ain Jüd.« Man hat mir zu Hause wohl manches Kompliment über meine Sprache gemacht, aber ein solches war nicht darunter.
Von der Gegend von Weißenburg kann ich militärisch nichts sagen, da es noch ziemlich finster war, als wir dort durchgingen. Landau ist weiter nichts als Festung, und alles, was in der Stadt steht, scheint bloß auf diesen einzigen Zweck Beziehung zu haben. Wir kamen in Mainz gegen Morgen an, und man schickte mich in den Mainzer Hof, welcher, wie ich höre, für den besten Gasthof gilt. In Mainz sieht man noch mehr Spuren von Revolutionsverwüstungen als an irgendeinem andern Orte. Der Krieg hat verhältnismäßig weniger geschadet. Ich hielt mich nur einen Tag auf, um einige Männer zu sehen, an die ich von Oberlin Adressen hatte. Auch unser Bergrat Werner von Freiberg war hier und geht, wie ich höre, nach Paris. Sein Name ist in ganz Frankreich in hohem Ansehen. Den andern Tag rollte ich mit der kaiserlichen Diligence durch einen der schönsten Striche Deutschlands hierher.
Auf meinem Wege von Paris hierher fragte man mich oft mit ziemlicher Neugierde nach Zeitungen aus der Hauptstadt und nahm die Nachrichten immer mit sehr verschiedener Stimmung auf. Sehr oft hörte ich vorzüglich die Bemerkung über den Konsul wiederholen:
»Mais pourtant il n'est pas aimé«;
besonders von Militären. Das ist begreiflich. Es gibt Regimenter und ganze Korps, die ihn nie gesehen haben, und die doch auch für die Republik brave Männer gewesen sind. Diese wünschen sich ihn vielleicht sehr gern zum General, aber nicht zum Souverän, wie es ganz das Ansehen gewinnt.
»Il faut diablement des choses, ce petit corporal d'Italie; cela va loin!
« sagte man; und ein Wortspieler, der ein katonischer Republikaner war, bezeichnete ihn mürrisch mit folgendem Ausdruck:
»Bonaparte qui gloriam bene partam male perdit.
« In der Gegend von Straßburg habe ich hier und da gehört, daß man bei seinem Namen knirschte und behauptete, er führe allen Unfug geradezu wieder ein, den man auf immer vertrieben zu haben glaubte. Was ein einziger Mann wieder einführen kann, ist wohl eigentlich nicht abgeschafft. »Man wollte in der ersten Konstitution«, sagten sie, »dem König keine ausländische Frau erlauben, und jetzt haben wir sogar einen fremden Abenteurer zum König,
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