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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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»Warten Sie, vielleicht bin ich noch so glücklich, Ihnen Quartier zu verschaffen. Es ist eine verfluchte Geschichte; es geht uns oft auch so, wenn wir nicht mit Heereszug kommen, aber ich habe hier einige Bekanntschaft.« Der Offizier ging einige hundert Schritte weit davon mit mir in ein Haus, hielt Vortrag, und ich erhielt sehr höflich Quartier. Zimmer und Bett waren herrlich. Nun wollte ich essen; da war nichts zu haben.
»Ma Signore«
, sagte die Wirtin,
»questa casa non è locanda; non si mangia qui.«
Ich hatte sieben Meilen im Januar gemacht und war auf dem Pflaster noch eine Stunde herumtrottiert; ich konnte mich also nicht entschließen, spät in der Finsternis noch einmal auszugehen. Der Offizier war fort. Ich sah grämlich aus, und man wünschte mir ohne Abendessen freundlich
»Felicissima notte«
; ich ging ärgerlich zu Bett und schlief herrlich. Den andern Morgen, an meinem Geburtstage, sollte ich auf die Polizei gehen. Der Sitz derselben war in vierzehn Tagen wohl viermal verändert worden; man wies mich hierhin und dorthin, und ich fand sie nirgends.

    Der Henker hol' Euch mit der Polizei!
    Es ist doch lauter Hudelei.

    So dachte ich in meinem Ärger, kaufte mir eine Semmel und einige Äpfel in die Tasche, ging nach Hause, bezahlte den sehr billigen Preis für mein Quartier, steckte meinen Paß ohne die Polizei wieder in die Brieftasche und reiste zum Tore hinaus. Das war mein Geburtstag zum Morgen. Den Abend aber – denn zu Mittage konnte ich kein schickliches Haus finden und fastete – erholte ich mich wieder zu Codroipo. Eine niedliche Piemonteserin, deren Mann ein Deutscher und Feldwebel bei einem kaiserlichen Regimente war, kam zu Fuße mit ihrem kleinen Jungen von ungefähr zwei Jahren von Livorno und ging nach Graz. Du weißt, ich liebe schöne, reinliche Kinder in diesem Alter ungewöhnlich, und der Knabe fing soeben an, etwas von der Sprache seines Vaters und etwas von der Sprache seiner Mutter zu stammeln, und hatte sein großes Wesen mit und auf meinem Tornister. Der Wirt brachte uns Polenta, Eierkuchen und zweierlei Fische aus dem Tagliamento, gesotten und gebraten. Du siehst, dabei war kein Fleisch, das war also an meinem Geburtstage gefastet und nach den besten Regeln der Kirche.
    Der Weg zwischen Triest und Venedig ist außerordentlich wasserreich; sehr viele große und kleine Flüsse kommen rechts von den Bergen herab, unter denen der Tagliamento und die Piave die vorzüglichsten sind. Zwischen Codroipo und Valvasone ging ich über den Tagliamento in vier Stationen, auf dem Rücken eines großen, ehrenfesten Charons, der seine langen Fischerstiefeln bis an die Taille hinaufzog. Der Fluß war jetzt ziemlich klein, und dieses ist zu solcher Zeit die Methode, Fußgänger überzusetzen. Sein Bett ist über eine Viertelstunde breit und zeigt, wie wild er sein muß, wenn er das Bergwasser herabwälzt. Wenn die Bäche groß sind, mag die Reise hier immer bedenklich sein; denn man kann durchaus an den Betten sehen, welche ungeheuere Wassermenge dann überall herabströmt. Jetzt sind alle Wasser so schön und hell, daß ich überall trinke, denn für mich geht nichts über schönes Wasser. Die Wohltat und den Wert davon zu empfinden, mußt Du Dich von den Engländern einmal nach Amerika transportieren lassen, wo man in dem stinkenden Wasser fingerlange Fasern von Unrat findet, die Nase zuhalten muß, wenn man es durch ein Tuch geschlagen trinken will, und doch noch froh ist, wenn man die kozytische Tunke zur Stillung des brennenden Durstes nur noch erhält. So ging es uns, als wir in den amerikanischen Krieg zogen, wo ich die Ehre hatte, dem Könige die dreizehn Provinzen mit verlieren zu helfen.
    In Pordenone traf ich das erste Mal eine öffentliche Mummerei von Gassenmaskerade, mußte bei gar jämmerlichen Fischen wieder fasten und wäre übel gefahren, wenn mich ein kleines, niedliches Mädchen vom Hause nicht noch mitleidig mit Kastanien gefüttert hätte. Hier sind in der Markuskirche einige hübsche Votivgemälde, mit denen man sich wohl eine halbe Stunde angenehm beschäftigen kann. Von Udine bis Pordenone ist viel dürres Land; doch findet man mitunter auch sehr schöne Weinpflanzungen. Die Deutschen stehen, wie Du aus der Geschichte von Udine gesehen hast, eben nicht in dem besten Kredit hier in der Gegend, und es ist kein Unglück für mich, daß man mich meistens für einen Franzosen hält, weil in meine Sprache sich oft ein französischer Ausdruck einschleicht. Wenn ich gleich

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