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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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Entfernung rechts, und wenn man über Gradisca nach Palma Nuova herauskommt, ist man ganz in der schönen Fläche des ehemaligen venetianischen Friaul, hat links fast lauter Ebene bis zur See und nur rechts die ziemlich hohen Friauler Alpen. Von Görtz nach Udine stehen im Kalender fünf Meilen; aber östreichische Offiziere versicherten mich, es seien gute sieben Meilen, und ich fand Ursache, der Versicherung zu glauben. Palma Nuova war eine venetianische Grenzfestung, und nun hausen die Kaiserlichen hier. Sie exerzierten eben auf dem großen Platze vor dem Tore. Der Ort ist militärisch nicht ganz zu verachten, wenn er gut verteidigt wird. Man kann nach allen Seiten vortrefflich rasieren, und er kann von keiner nahen Anhöhe bestrichen werden.
    In Udine feierte ich den neunundzwanzigsten Januar meinen Geburtstag; und höre, wie! Ich hatte mir natürlich den Tag vorher schon vorgenommen, ihn recht stattlich zu begehen und also vor allen Dingen hier Ruhetag zu halten. Der Name Udine klang mir so schön, war mir aus der Künstlergeschichte bekannt und war überdies der Geburtsort unserer braven Grassi in Dresden und Wien. Die große, feierlich tönende Abendglocke verkündete mir in der dunkeln Ferne – denn es war schon Nacht, als ich ankam – eine ansehnliche Stadt. Vor Campo Formio war ich im Dunkeln vorbeigegangen. Am Tore zu Udine stand eine österreichische Wache, die mich examinierte. Ich bat um einen Grenadier, der mich in ein gutes Wirtshaus bringen sollte. Gewährt. Aber ein gutes Wirtshaus war nicht zu finden. Überall, wo ich hineintrat, saßen, standen und lagen eine Menge gemeiner Kerle bacchantisch vor ungeheuer großen Weinfässern, als ob sie mit
Bürger
bei Ja und Nein vor dem Zapfen sterben wollten. Es kam mir vor, als ob
Bürger
hier seine Übersetzung gemacht haben müsse, denn der lateinische Text des alten englischen Bischofs hat dieses Bild nicht. In dem ersten und zweiten dieser Häuser hatte ich nicht Lust zubleiben, im dritten wollte man mich nicht behalten. »Ruhig!« dachte ich. »Du gehst auf die Wache, morgen wird sichs schon finden.« Der Sergeant gestand mir gern Quartier zu, da ich der Wache für ihre Höflichkeit ein gutes Trinkgeld geben wollte. Nun holte man Brot und Wein für mich. Kaum war dieses da, so kam eine fremde Patrouille, einige Meilen weit her, welche ihr Quartier auch in der Wachstube nahm. Nun sagte der Sergeant ganz höflich, es sei kein Platz mehr da. Das sah ich auch selbst ein. Es machte auch Dienstschwierigkeiten, die ich als alter Kriegsknecht sehr bald begriff. Ich überließ Brot und Wein dem Überbringer und verlangte, man solle mich auf die Hauptwache bringen lassen. Das geschah. Dort fand ich mehrere Offiziere. Ich erzählte dem Wachhabenden meinen Fall und schloß mit der Meinung, daß ich doch Quartier haben müsse, und sollte es auch auf der Hauptwache sein. Die Herren lärmten, fluchten und lachten und sagten, es gehe ihnen ebenso; die Welschen schlügen die Deutschen tot nach Noten, wo sie könnten. Man schickte mich zum Platzmajor. Gut! Dieser forderte meinen Paß, fand ihn richtig, revidierte ihn, befahl, ich sollte mich den folgenden Morgen bei der Polizei melden, die ihn auch unterschreiben müsse, und machte einige Knasterbemerkungen über die Notwendigkeit der guten Ordnung, an der ich gar nicht zweifelte. »Das ist alles recht gut«, sagte ich, »aber ich kann kein Quartier finden.« »Ach das wird nicht fehlen«, meinte er. »Aber es fehlt«, meinte ich. Der alte Herr setzte sein Glas bedächtlich nieder, sah seine Donna an, rieb sich die Augenbrauen und schickte den Gefreiten mit mir und meinem Tornister
alla nave
. Der Gefreite wies mich ins Schiff und ging. Als ich eintrat, sagte man mir, es sei durchaus kein Zimmer mehr leer; es sei alles besetzt. Ich tat groß und bot viel Geld, aber es half nichts. »Sie sollten es für den vierten Teil haben«, antwortete mir eine alte, ziemlich gedeihliche Frau, »aber es ist kein Platz.« – »Ich kann nicht fort, es ist spät; ich bin müde, und es ist draußen kalt.« Die Italienerin machte es wie der Mann von Sankt Oswald, nur ganz höflich. »Ich gehe nicht«, sagte ich, »wenn man mir nicht einen Menschen mitgibt, der mich wieder auf die Hauptwache bringt.« Den gab man. Nun war ich wieder auf der Hauptwache und erzählte und forderte Quartier. Man lärmte und fluchte und lachte von neuem. Ich versicherte nun bestimmt, ich würde hier bleiben. Wort gab Wort. Einer der Herren sagte lachend:

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