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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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sage und wiederhole, ich sei ein Deutscher, so will man es doch nicht glauben. In der Vermutung, ich müsse ein französischer Offizier sein, der das Land umher durchzieht, werde ich oft recht gut bewirtet. Dergleichen Promenaden der Franzosen müssen also doch so ungewöhnlich nicht sein.
Signore è Francese, ma non volete dirlo. Fate bene, fate bene
, sagte man mir mit sehr freundlichem Gesichte. Alles kommt freilich auf den Parteigeist an, der hier ebenso mächtig ist als irgendwo. Viele klagen über die Franzosen; aber die meisten scheinen es doch nicht gern zu sehen, daß sie nicht mehr hier sind. In Conegliano fand ich einige junge Kaufleute, die von Venedig kamen und den Weg nach Triest zu Fuße machen wollten, den ich eben gekommen war. Das Herz ward ihnen sehr leicht, als ich sagte, es gehe recht gut, und es sei mir keine Gefahr aufgestoßen, denn man hatte auch diesen Herren von der andern Seite das Gehirn mit Schreckbildern angefüllt. Sodann war auch dort, wie er sich selbst in der Gesellschaft einführte, ein großer Philosoph, ungarischer Husarenunteroffizier, der hier den politischen Spion zu machen schien. Er donnerte gewaltig über die Revolution und brachte Anspielungen und indirekte Drohungen gegen meine Person, als dieses Verbrechens verdächtig. »Der Wirt hat das Recht, nach meinem Passe zu fragen, mein Herr«, versetzte ich, als mir die Worte zu stark und zu deutsch wurden, »wenn sie aber glauben, daß es nötig ist, so führen Sie mich vor die Behörde zur Untersuchung. Übrigens erbitte ich mir von Ihrer Philosophie etwas Humanität.« Das wirkte, der Mann fing nun an, ein halbes Dutzend Sprachen zu sprechen und vorzüglich das Italienische und Ungarische mit einer horrenden Volubilität. Sobald wir nur lateinisch, zusammenkamen, waren wir Freunde, und er war sogleich von meiner politischen Orthodoxie überzeugt, und als ich ihn vollends zu meinem Weine mit Pastetchen ehrenvoll einlud, gehörten wir durchaus zu einer Sekte. Er hielt sich an den Wein, ich mich an die Pastetchen, und alle Coneglianer, Trevisaner und Venetianer staunten den Strom von Gelehrsamkeit an, den der Mann aus seinem Schatze hervorgoß.
    Von Conegliano bis Treviso hatte ich mir auf einem eingefallenen Steinchen die Ferse blutig getreten und gab daher zum ersten Male den Zudringlichkeiten eines Vetturino nach, der mich für sechs Liren nach Mestre bringen wollte. Mit der Bedingung, daß ich gleich abginge, ließ ich mir die Sache gefallen, denn ich wollte noch gern diesen Abend in Mestre sein, um den folgenden Morgen zeitig nach Venedig überzusetzen. Sechs Liren war mir ein unbegreiflich niedriger Preis für einen vollen Wagen mit zwei guten Pferden, den er mir vor dem Wirtshause als mein Fuhrwerk zeigte, so daß ich nicht wußte, was ich denken sollte. Aber vor der Stadt hielt er an und packte noch einen venetianischen Kaufmann und eine Tirolerin ein, die als Kammerjungfer ihrer Gräfin nachreiste; und nun begriff ich freilich. Von Conegliano aus ist der Weg schon sehr frequent, und die Landhäuser werden häufiger und schöner; und von Treviso ist es fast lauter schöner, mit Villen besetzter Garten. Die Tirolerin sentimentalisierte darüber ununterbrochen deutsch und italienisch; der Italiener war ein gar artiger Kerl, und da kamen denn die beiden Leutchen bald in einen Ton allerliebster Zweideutigkeiten, zu dem die deutsche Sprache, wenigstens die meinige, gar nicht geeignet ist, und doch kann ich nicht sagen, daß sie geradezu in Unanständigkeit ausgeartet wären. Bloß der unreine Nasenton der Tirolerin mißfiel mir; und da ich bei einer zufälligen Lüftung des Halstuches in der untern Gegend des Kinnbackens einige beträchtliche Narben erblickte, war ich sehr froh, daß ich mit exzessiver Artigkeit dem Venetianer die Ehrenstelle neben ihr im Fond überlassen hatte. Ich erhielt meinen Teil Witz von ihnen für meine überstoische Laune und Taziturnität und rettete mich von dem Prädikat eines Gimpels vermutlich nur durch meine Unkunde in der italienischen Sprache und einige Sarkasmen, die ich ganz trocken hinwarf. In Mestre wollte mich die Dame aus Artigkeit mit in ihr Hotel nehmen und meinte, ich könnte morgen mit der Gräfin und ihr zusammen die Überfahrt nach dem schönen Venedig machen, aber ich fand eine Gesellschaft von Venetianern, die noch diesen Abend übersetzen wollte, und schloß mich an. Wir ruderten den Kanal hinunter. Die andern waren alle Einheimische und hatten weiter nichts nötig, als dieses

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