Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
in dem schlammigen, tonigen Boden. Da hatten wir denn in Italien das ganze deutsche salzmannische menschliche Elend
in concreto
. Die Pferde halfen sich endlich wieder auf; aber der Wagen saß fest. Nun stelle Dir die ganz bekotete Personalität Deines Freundes vor, wie ich mit der ganzen Kraft meines physischen Wesens meine Schulter unter die Hinterachse des Wagens setzte und heben und schieben half, daß die Dame und der Kriegskommissar und der Vetturino erstaunten. Es ging, und nach drei Versuchen machte ich den Fuhrmann wieder flott. Aber ans Einsetzen war nicht zu denken. Nun hatte ich das Amt, die Dame und den Kommisar durch die engen, schweren Passagen zu bugsieren, und tat es mit solchem Nachdruck und so geschicktem Gleichgewicht auf den schmalen Stegen und Verschlägen und an den Gräben, daß ich ihnen von meiner Kraft und Gewandtheit eine gar große Meinung gab. Schon hatten wir uns, als wir zu Fuße voraus über den italienischen Rhein, einen ziemlich ansehnlichen Fluß, gesetzt hatten, in einem ganz artigen Wirtshause zu Malabergo einquartiert und uns in die Pantoffeln des Wirts geworfen, als unser Fuhrmann ankam und uns durchaus noch acht italienische Meilen weiter bringen wollte. Ich hatte nichts dagegen, und die andern wurden überstimmt. Von hier aus sollte nun der Weg besser sein. Wir schroteten uns also wieder in den Wagen und ließen uns weiterziehen. Jetzt trat eine andere Furcht ein, der Dame und dem Kriegskommissar – drollig genug an Italienern! – ward bange vor Gespenstern. Der Kriegskommissar schien überhaupt mit seinem Mute nicht viel zur Befreiung seines Vaterlandes beigetragen zu haben. Mir ward zwar auch etwas unheimlich, nicht aber vor Geistern, sondern vor Straßenräubern, für welche diese Straße zwischen tiefen, breiten Kanälen ordentlich geeignet schien; indessen sammle ich in dergleichen Fällen als ein guter Prädestinatianer meinen Mut und gehe getrost vorwärts. Gegen Mitternacht kamen wir endlich glücklich auf unsere Station, einem isolierten, ziemlich großen und guten Gasthof, an, der, wenn ich nicht irre, Althee hieß, und von dem ich Dir weiter nichts zu sagen weiß, als daß man mir einen Wein gab, der dem Champagner ähnlich war und also meinen Beifall hatte. Bei diesem Weine und der guten Mahlzeit vergaß der Kommissär alle Mühseligkeiten des Tages und des Abends und schien ganz eigentlich in seinem rechten Elemente zu sein; das ist ihm nun freilich nicht übelzunehmen, denn ich befand mich nach einer solchen Fahrt dabei auch ganz behaglich.
Den andern Mittag langten wir hier in der alten päpstlichen Stadt Bologna an, wo man zuerst wieder nach meinem Passe fragte. Mit mir Fremden nahm man es nicht so strenge als mit meinem Kameraden, der aus der Gegend von Parma war, und der ein förmliches Kandidatenexamen aushalten mußte. Auf der Polizei, wo ich den Paß signieren lassen mußte, war man ebenso artig und höflich als an dem Grenzflusse. Hier in Bologna fand ich überall eine exemplarische Unreinlichkeit, die an Schweinerei grenzt; und wenn man der häuslichen Nettigkeit der Italiener überhaupt kein großes Lob geben kann, so haben die Leute in Bologna den größten Schmutz aufzuweisen. Außer dem Stolz auf ihr altes Felsine behaupten die Bologneser noch, daß ihre Stadt so groß sei wie Rom. Daran tun sie nun freilich etwas zuviel; wenn man aber auf den Turm steigt und sich rings umher umschaut, so wird man den Raum doch groß genug finden, um in eine solche Versuchung zu geraten, zumal wenn man etwas patriotisch ist. Der Hauptplatz mit der daranstoßenden Kathedrale und dem Gemeindehause rechts und den großen, schönen Kaufmannshallen links macht keine üble Wirkung. Der Neptun mitten auf demselben, von Jean de Bologna, hat als Statue wohl seine Verdienste; nur schade, daß der arme Gott hier so wenig von seinem Element hat, daß er wohl kaum den Nachbarn auf hundert Schritte in die Runde zu trinken geben kann. Der Eingang des Gemeindehauses ist von Franzosen besetzt, und die Bürgerwache steht gar demütig in einem sehr spießbürgerlichen Aufzuge daneben. Über dem Portal hängt ein nicht unfeines Bild der Freiheit mit der Umschrift in großen Buchstaben:
»Republica Italiana«;
welches erst vor einigen Wochen hingesetzt war, da man die Zisalpiner in diese Nomenklatur metamorphosiert hatte.
Vor dem Nationaltheater wurde ich gewarnt, weil man daselbst durchaus immer die niedrigsten Hanswurstiaden gebe und zum Intermezzo Hunde nach Katzenmusik tanzen
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