Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
lasse. Hätte ich mehr Zeit gehabt, so hätte ich doch wohl die Schnurrpfeifereien mit angesehen. Dafür ging ich aber auf das kleine Theater
Da Ruffi
und fand es für eine so kleine Unternehmung allerliebst. Ich kann nicht begreifen, wie die Leute bei einem so geringen Eintrittsgelde und dem kleinen Raum des Schauspielhauses den Aufwand bestreiten können. Man gab ein Stück aus der alten französischen Geschichte, den »Sklaven aus Syrien«, wo natürlich viel über Freiheit und Patriotismus deklamiert wurde; aber schon wieder mit vieler Beziehung auf Fürstenwürde und Fürstenrechte, welches man vielleicht voriges Jahr noch nicht hätte tun dürfen. Die Donna und der Held waren gut. Der Dialekt war für mich deutlich und angenehm; die meisten Schauspieler waren, wie man sagte, Römer, und nur ein Einziger zischte venetianisch. Nach dem Stück gab man das beliebte Spiel Tombola, wovon ich vorher gar keinen Begriff hatte und auch jetzt noch keinen sehr deutlichen bekommen habe, da es mir an jeder Art Spielgeist fehlt. Es ist eine Art Lotterie aus dem Stegreif, die für das Publikum auf dem Theater nach dem Stücke mit allgemeiner Teilnahme enthusiastisch gespielt wird. Die Anstalten waren sehr feierlich; es waren Munizipalbeamten mir Wache auf dem Theater, die Lose wurden vorher ausgerufen, alle gezeigt und einem Knaben in den Sack geworfen. Ob man gleich nur um einige Scudi spielte, hätte man doch glauben sollen, es ginge um die Schätze Golkondas, so ein Feuereifer belebte alle Teilnehmer. Mir hätte das Spiel herzlich lange Weile gemacht, wie alle dergleichen Hazardspiele, wenn nicht die Physiognomien der Spielenden einiges Vergnügen bewährt hätten. Mein Cicerone war ein gewaltig gelehrter Kerl und sprach und räsonnierte von Schulen und Meistern und Gemälden so strömend, als ob er die Dialektik studiert hätte und Professor der Ästhetik wäre; und er konnte es gar nicht zusamenreimen, daß ich nicht wenigstens vierzehn Tage hierbleiben wollte, die Reichtümer der Kunst zu bewundern. Er hielt mich halb für einen Barbaren und halb für einen armen Teufel; und ich überlasse Dirs, inwieweit er in beiden Recht hat. Ich ging trotz seinen Demonstrationen den andern Morgen zum Tore hinaus.
Ancona
Von Bologna geht es auf dem alten emilischen Wege in der Niederung durch eine sehr wasserreiche Gegend immer nach Rimini herunter. Bloß von Bologna bis nach Imola geht man über fünf oder sechs Flüsse. Rechts hatte ich die Apenninen, die noch beschneit waren; der Boden ist überall sehr fett und reich. In Imola machte ich einen etwas barocken Einzug. Ich kam gerade zu den Harlekinaden der Faschingsmasken, wovon ich in Pordenone schon einen Prodrom gesehen hatte. Die ganze Stadt war in Mummerei und zog in bunten Gruppen in den Straßen herum. Nur hier und da standen unmaskiert einige ernsthafte Männer und Matronen und sahen dem tollen Wesen zu. Meine Erscheinung mochte für die Leute freilich etwas hyperboreisch sein: eine solide polnische Kleidung, ein Seehundstornister mit einem Dachsgesicht auf dem Rücken, ein großer, schwerer Knotenstock in der Hand. Die Maskerade hielt alle Charaktere des Lebens, ins Groteske übersetzt. Auf einmal war ich von einer Gruppe umgeben, die allerhand lächerliche Bocksprünge um mich herum machte. Die ernsthaften Leute ohne Maske lachten, und ich lachte mit; einen genialischen Aufzug dieser Art kann man freilich nicht auf der Leipziger Messe haben. Plötzlich trat mit den possierlichsten Stellungen eine tolle Maskenfratze vor mir hin und hielt mir ein Barbierbecken unter die Nase, das Don Quixotte sehr gut als Helm hätte brauchen können; und ein anderes Bocksgesicht setzte sich hinter mich, um von seinem Attribute, der Klistierspritze, Gebrauch zu machen. Stelle Dir das donnernde Gelächter von halb Imola vor, als ich den Klistierspritzenkerl mit einer Schwenkung vollends umrannte, meinen Knotenstock komisch nach ihm hinschwang und meine Personalität etwas aus dem Gedränge zu Tage förderte. Zum Unglück muß ich Dir sagen, daß mein Bart wirklich über drei Tage lang war, und daß ich von den dortigen roten Weinen, an die ich nicht gewöhnt war, mich in einer Art von Hartleibigkeit befand. Die Menge zerstreute sich lachend, und ein ziemlich wohlgekleideter Mann ohne Maske, den ich nach einem Gasthof fragte, brachte mich durch einige Straßen in die Hölle, Nummer fünfe. Das war nun freilich kein erbaulicher Name; indessen ich war ziemlich müde und wollte in meinen
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