Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
Vom Netzwerk:
Vielleicht war er eben damals in Tibur, wo er von Mäcens Landgute bloß die Spitze des beschneiten Sorakte sehr malerisch gruppiert vor sich hatte. Übrigens tue ich dem Horaz keine kleine Ehre, daß ich mich mit einem seiner Verse so lange beschäftige; denn er ist durch seine Sinnesart mein Mann gar nicht, und es ist schade, daß die Musen gerade an ihn so viel verschwendet haben.
    Nepi könnte ein herrlicher Ort sein, wenn die Leute hier etwas fleißiger sein wollten; aber je näher man Rom kommt, desto deutlicher spürt man die Folgen des päpstlichen Segens, die durchaus wie Fluch aussehen. Hinter Monterosi packte mich ein Vetturino, der von Viterbo kam und nach Rom ging, mit solchem Ungestüm an, daß ich mich notwendig in seinen Wagen setzen mußte, wo ich einen stattlich gekleideten Herrn fand, der eine tote Ziege und einen Korb voll anderer Viktualien neben sich hatte. Die Ziege wurde eingepackt und der Korb beiseite gesetzt; ich legte meinen Tornister zu meinen Füßen gehörig in Ordnung und pflanzte mich Barbaren neben den zierlichen Römer. Er belugte mich stark und ich ihn nur obenhin; nach einigen Minuten fing das Gespräch an, und ich schwatzte so gut ich in der neuen römischen Zunge konnte. Das ewige Thema waren leider wieder Mordgeschichten, und der Herr guckte jede Minute zum Schlage hinaus, ob er keine Pistolenholfter sähe. Ganz spaßhaft ist es freilich nicht, wie ich nachher erfahren habe, aber eine solche Furcht ist doch sehr possierlich und lächerlich. Diese Angst hielt bei dem Mann an, bis wir an die Geierbrücke von Rom kamen, wo er sich nach und nach wieder erholte. Am Volkstore, denn durch dieses fuhren wir ein, fragten die päpstlichen Patrontaschen nach meinem Passe und brachten ihn sogleich zurück mit der Bitte:
»Qualche cosa della grazia pella guardia!«
So so; das fängt gut an, ich mußte wohl einige Paoli herausrücken. Da hielten wir nun vor dem großen Obelisken und ich überlegte, nach welcher von den drei großen Straßen ich auf gut Glück hinuntergehen sollte. Eben hatte ich meinen Gesichtspunkt in die Mitte hinab durch den Corso genommen und wollte aussteigen, als mein Kamerad mich fragte, wo ich wohnen würde? »Das weiß ich nicht«, sagte ich; »ich muß ein Wirtshaus suchen.« Er bot mir an, mich mit in sein Haus zu nehmen. Er habe zwar kein Wirtshaus, ich solle es aber bei ihm so gut finden, als es Gefälligkeit machen könne. Ich sah dem Manne näher ins Auge und las wenigstens keine Schurkerei darin, dachte, hier oder da ist einerlei, setzte mich wieder nieder und ließ mich mit fortziehen. Man brachte mich, dem heiligen Franziskus mit den Stigmen gegenüber, in den Palast Strozzi, wo mein Wirt eine Art von Haushofmeister zu sein scheint.

Rom

    So bin ich denn unwidersprechlich hier an der gelben Tiber, und zwar in keinem der letzten Häuser. Man hat hier im Hause viel Höflichkeit für mich und mehr Aufmerksamkeit, als mir lieb ist, denn ich merke, daß ich viel teurer leben werde als in irgend einem Wirtshause, wie mir meine Landsleute, die den römischen Rommel etwas verstehen, auch schon erklärt haben. Ich habe meine Adressen aufgesucht. Uhden und Fernow empfingen mich mit Humanität und freundschaftlicher Wärme. Du kennst die Männer aus ihren Arbeiten, welche gut sind; aber sie selbst sind noch besser, welches nicht immer der Fall bei literarischen Männern ist. Ich bin also schon kein Fremdling mehr am Kapitole. Auch den selbständigen, originellen und etwas barocken Reinhart sah ich gleich den zweiten Tag und mehrere andere deutsche Künstler. Gmelin ist ein lebhafter, jovialischer Mann, der nicht umsonst die Welt gesehn hat, und der eine eigene Gabe besitzt, im Deutschen und Französischen mit der lebendigsten Mimik zu erzählen.
    Der Kardinal Borgia, an den ich einen Brief hatte, nahm mich mit vieler Freundlichkeit auf. Ein anderer würde in seinem Stil Herablassung sagen; nach meinem Begriff läßt sich kein Mensch herab, wenn er mit Menschen spricht, und wenn irgendein sogenannter Großer in seinem Charakter noch Herablassung nötig hat, so steht er noch lange nicht auf dem rechten Punkte. Ich war genötigt, meine Anrede französisch zu machen, da ich mir im Italienischen nicht Wendung genug zutraute, mit einem solchen Manne eine zusammenhängende Unterredung zu halten. Er antwortete mir in der nämlichen Sprache; aber kaum hörte er, daß ich Latein wußte, so fuhr er, für einen Kardinal drollig genug, lateinisch fort, dieser Sprache das Lob zu

Weitere Kostenlose Bücher