Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
ausbrennst,
Und, was am liebsten und wertsten mir ist, das einzige Auge.
Ach, warum ward ich nicht ein Triton mit Flössen zum Schwimmen?
Und ich tauchte hinab, Dir das schöne Händchen zu küssen,
Wenn Du den Mund mir versagst, und brächte Dir Lilienkränze,
Oder den weichesten Mohn mit glühenden, klatschenden Blättern.
Aber jenes blühet im Sommer und dieses im Spätjahr,
Daß ich Dir nicht alles zugleich zu bringen vermöchte.
Aber ich lerne gewiß, ich lern', o Mädchen, noch schwimmen,
Kommt nur ein fremder Schiffer zu uns hierher mit dem Fahrzeug,
Daß ich doch sehe, wie lieblich sich dort bei euch unten es wohnet.
Komm, Galatea, herauf, und bist Du bei mir, so vergiß dann,
Wie ich hier sitzend am Felsen, zurück nach Hause zu kehren!
Komm und wohne bei mir und hilf mit weiden und melken,
Hilf mir mit bitterem Lab die neuen Käse bereiten!
Ach, die Mutter nur ist mein Unglück, sie nur verklag' ich;
Denn sie redet bei Dir für mich kein freundliches Wörtchen
Und sieht doch von Tage zu Tage mich magerer werden.
Sagen will ich ihr nun, wie Kopf und Füße mir beben,
Daß auch sie sich betrübe, da ich vor Schmerzen vergehe.
O Zyklope, Zyklope, wo ist dein Verstand hingeflogen?
Gingst Du doch hin und flöchtest Dir Körbe und mähetest Gras Dir,
Deine Lämmer zu füttern; das wäre fürwahr doch gescheiter.
Melke das Schäfchen, das da ist; warum verfolgst Du den Flüchtling
Und Du findst Galateen; auch wohl eine schönere andre.
Mädchen die Menge rufen mir zu zum Scherze die Nacht durch:
Alle kichern mir nach. So will ich denn ihnen nur folgen:
Denn ich bin auf der Welt doch wohl auch wahrlich ein Kerl noch.
Also weidete Polyphemus und sang von der Liebe,
Und es ward ihm leichter, als hätt' er Schätze vergeudet.
Ist es nicht Schade, daß wir das zärtliche Liebesbriefchen des Polyphemus an seine geliebte Galatee von dem Tyrannen Dionysius nicht mehr haben? Er wurde, glaube ich, durch einen Triton bestellt. Die sizilischen Felsen machen alle eine eigene idyllische Erscheinung; und wenn ich mir so einen verliebten Zyklopen Homers oder Virgils in schmelzenden Klagen daraufsitzend vorstelle, so ist die Idee gewaltig possierlich. Das gibt übrigens auch, ohne eben meine persönlichen Verdienste mit den Realitäten des Polyphemus zu vergleichen, eigene, nunmehr nicht unangenehme Reminiszenzen meiner übergroßen Seligkeit, wenn ich ehemals meine teuer gekaufte Spätrose der kleinen Schwester meiner Galatee geben konnte, und wenn ich drei hyperboreische Meilen auf furchtbarem Wege in furchtbarem Wetter meinen letzten Gulden in das Schauspiel trug, um aus dem dunkelsten Winkel der Loge nicht das Schauspiel, sondern die Göttin zu sehen. Ich hatte mit meinem Zyklopen gleiches Schicksal und brauchte mit ziemlichen Erfolg das nämliche Mittel.
Eben hatte ich die letzten Verse geschrieben, als man mir meine Stiefeln brachte; und diesem Umstande verdankst Du, daß ich Dir nicht auch noch seine Hexe oder sein Erntefest bringe.
Agrigent
Siehst Du, so weit bin ich nun, und bald am Ende meines Spaziergangs, der bei dem allen nicht jedermanns Sache sein mag. Von hier nach Syrakus habe ich nichts zu tun, als an der südlichen Küste hinzustreichen; das kann in einigen Tagen geschehen. Wenn ich nun ein echter Gelehrter oder gar Antiquar wäre, so würde ich mich ärgern, denn ich habe viel versehen. Ich wollte nämlich von Palermo über Trapani, Alcamo und Sciacca gehen, um in Segeste und Selinunt die Altertümer zu sehen, die noch dort sind. Auch Barthels hat sie nicht gesehen, wenn ich mich recht erinnere; und der Tempel von Segeste wäre doch wohl eine so kleine Abschweifung wert. Ich wohnte in Palermo mit einem neapolitanischen Offizier, einem Herrn Canella aus Girgenti, zusammen, mit dem ich ein langes und breites darüber sprach; und dieser hatte die Güte, mir einen Mauleseltreiber aus seiner Vaterstadt als Wegweiser zu besorgen. Nun denke ich in meiner Sorglosigkeit weiter mit keiner Silbe daran und glaube, der Kerl wird mich gerade an den Eryx bringen. Ich setze mich auf und reite in der größten Andacht, in welcher ich meine Orangen nach und nach aufzehre, wohl zwei Stunden fort, als mir einfällt, daß ich doch zu weit links von der See abkomme. Der Eseltreiber versicherte mich aber sehr ehrlich, das sei der rechte, gewöhnliche Weg nach Agrigent. Ich bin wieder einige Millien zufrieden. Endlich kommen wir bei Bei Frati an, und ich finde mich zu sehr mitten in der Insel. Nun
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