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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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gesehen habe. Zu Mittage war im Wirtshause durchaus kein Stückchen Brot zu haben. Die Bettler kamen in den jämmerlichsten Erscheinungen, gegen welche die römischen auf der Treppe des
spanischen
Platzes noch Wohlhabenheit sind; sie bettelten nicht, sondern standen mit der ganzen Schau ihres Elends nur mit Blicken flehend in stummer Erwartung an der Türe. Erst küßte man das Brot, das ich gab, und dann meine Hand. Ich blickte fluchend rund um mich her über den reichen Boden und hätte in diesem Augenblicke alle sizilische Barone und Äbte mit den Ministern an ihrer Spitze ohne Barmherzigkeit vor die Kartätsche stellen können. Es ist heillos. Den Abend blieb ich in Fontana Fredda, wo ich, nach dem Namen zu urteilen, recht schönes Wasser zu trinken hoffte. Aber die Quelle ist so vernachlässigt, daß mir der Wein sehr willkommen war. Ich mußte hier für ein paar junge Tauben, das einzige, was man finden konnte, acht Karlin, ungefähr einen Taler nach unserm Gelde, bezahlen, da ich doch mit dem ewigen Makkaroni mir den Magen nicht ganz verkleistern wollte. Das Beste war hier ein großer, schöner, herrlicher Orangengarten, wo ich aussuchen und pflücken konnte, so viel ich Lust hatte, ohne daß es die Rechnung vermehrt hätte, und wo ich die köstlichsten, hochglühenden Früchte von der Größe einer kleinen Melone fand. Gegenüber hängt das alte Sutera traurig an einem Felsen und Campo Franco von der andern Seite. Das Tal ist ein wahrer Hesperidengarten, und die Segensgegend wimmelt von elenden Bettlern, vor denen ich keinen Fuß vor die Tür setzen konnte; denn ich kann doch nicht helfen, wenn ich auch alle Taschen leerte und mich ihnen gleich machte. Der Fluß ohne Brücke, über den ich in einem Strich von ungefähr drei deutschen Meilen wohl fünfzehnmal hatte reiten müssen, weil der Weg bald diesseits, bald jenseits geht, ward diesen Morgen ziemlich groß; und das letzte Mal kamen zwei starke, zyklopische Kerle, die mich mit Gewalt auf den Schultern hinübertrugen. Sie zogen sich aus bis aufs Hemde, schürzten sich auf bis unter die Arme, trugen Stöcke wie des Polzphemus ausgerissene Tannen und suchten die gefährlichsten Stellen, um ihr Verdienst recht groß zu machen, ich hätte gerade zu Fuße durchgehen wollen und wäre nicht schlimmer daran gewesen als am Ende der Pontinischen Sümpfe vor Terracina. Ihre Forderung war unverschämt, und der Eseltreiber meinte ganz leise, ich möchte sie lieber willig geben, damit sie nicht bösartig würden. Sie sollen sich sonst kein Gewissen daraus machen, jemand mit dem Messer oder dem Gewehrlauf oder geradezu mit dem Knittel in eine andere Welt zu liefern. Die Gerechtigkeit erkundigt sich nach solchen Kleinigkeiten nicht weiter. Der Fluß geht nun rechts durch die Gebirge in den See. Ich habe seinen eigentlichen Namen nicht gefaßt, man nannte ihn bald so, bald anders, nach der Gegend; am häufigsten nannten ihn die Einwohner
Fiume di San Pietro
. Von nun an war die Gegend von hierher nach Agrigent abwechselnd sehr schön und fruchtbar und auch noch leidlich bearbeitet. Nur um den Macaluba, den ich rechts von dem Wege ab aufsuchte, ist sie etwas mager.
    Ich will Dir sagen, wie ich den Berg oder vielmehr das Hügelchen fand. Seine Höhe ist sehr unbeträchtlich und sein ganzer Umfang ungefähr eine Viertelstunde. Rund umher sind in einer Entfernung von einigen Stunden ziemlich hohe Berge, so daß ich die vulkanische Erscheinung Anfangs für Quellwasser von den Höhen hielt. Diese mögen dazu beitragen; aber sie sind wohl nicht die einzige Ursache. Die Höhe des Orts ist verhältnismäßig doch zu groß, und es gibt rund umher doch viel tiefere Gegenden, die auch wirklich Wasser halten. Am wenigsten ließe sich seine periodische Wut erklären. Wo ich hinaufstieg, fand ich einen einzelnen, drei Ellen hohen Kegel aus einer Masse von Ton und Sand, dessen Spitze oben eine Öffnung hatte, aus welcher die Masse immer herausquoll und herabfloß und so den Kegel vergrößerte. Auf der Höhe des Hügels waren sechs größere Öffnungen, aus denen beständig eben dieselbe Masse hervordrang; ihre Kegel waren nicht so hoch, weil die Masse flüssiger war. Ich stieß in einige meinen Knotenstock gerade hinein und fand keinen Grund; sowie ich aber nur die Seiten berührte, war der Boden hart. In der Mitte, und ziemlich auf der größten Höhe desselben, war die größte Öffnung, zu der ich aber nicht kommen konnte, weil der Boden nicht trug und ich befürchten mußte, zu

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