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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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und man hat seit zehn Jahren wieder den ersten Schnee, aber auch nur auf einige Stunden, in Syrakus gesehen. Ein solcher Tag ist dann ein Fest, besonders für die Jugend, welcher so etwas eine sehr große Erscheinung ist. Sonst sieht man den Schnee nur auf den Gipfeln ferner Berge.
    Syrakus kommt immer mehr und mehr in Verfall, die Regierung scheint sich durchaus um nichts zu bekümmern. Nur zuweilen schickt sie ihre Steuerrevisoren, um die Abgaben mit Strenge einzutreiben. Es war mir eine sehr melancholische Viertelstunde, als ich mit Landolina oben auf der Felsenspitze von Euryalus saß, der würdige, patriotisch eifernde Mann über das große traurige Feld seiner Vaterstadt hinblickte, das kaum noch Trümmer war, und sagte: »Das waren wir!« und mit einem Blick hinunter auf das kleine Häufchen Häuser: »Das sind wir!« Ich habe während der vier Tage Umgang mit ihm in ihm einen der reinsten und liebenswürdigsten Charaktere gefunden, und er sprach mit schönem Enthusiasmus von seinen nordischen Freunden Münter und Barthels und einigen andern, die ihn besucht hatten, und von Heyne, den er noch nicht gesehen hatte. Syrakus allein hatte ehemals mehr Einwohner als jetzt die ganze Insel. Nur der dritte Teil der Insel ist bebaut, und dieses ziemlich schlecht. Das habe ich auf meinen Zügen gefunden, und Eingeborne, die zugleich Kenner sind, bestätigen es durchaus. Ehemals schickte man bei der großen Bevölkerung Korn nach Rom, und die Insel wurde für ein Magazin der Hauptstadt der Welt gehalten. Neulich ist man genötigt gewesen, Getreide aus der Levante kommen zu lassen, damit die wenigen ärmlichen südlichen Küstenbewohner nicht Hunger litten. Kann man eine bessere Philippika auf die Regierung und den Minister in Neapel schreiben? Man gibt der physischen Verschlimmerung des Landes durch die Erdrevolutionen viele Schuld, aber die Berge sind noch alle fruchtbar bis fast an die Spitzen. Wenn man die Gipfel der Riesen, des Eryx, des Taurus, und einige Felsenpartien ausnimmt, könnte von allen gewonnen werden, wenn man Arbeit daran wagen wollte. Die Jumarren, diese verschrieenen Gegenden, geben reichlich, wenn man fleißig ist. Sizilien ist ein Land des Fleißes, der Arbeit und der Ausdauer. Man will aber jetzt nur da bauen, wo man fast nicht nötig hat, zu arbeiten. Es sind freilich wenig große Striche hier, die so schwelgerisch furchtbar wären wie das Pampanertal, aber es könnte viel schönes Paradies geschaffen werden.
    Der Hafen ist fast leer und ist vielleicht einer der schönsten auf dem Erdboden. Wenn man ein Fort auf Plemnyrium und eines auf Ortygia hat, so kann keine Felucke heraus und hinein. Jetzt kreuzen die Korsaren bis vor die Kanonen. Als im vorigen Kriege die Franzosen Miene machten, sich der Insel zu bemächtigen, war hier schon alles entschlossen, sich recht tapfer zu ergeben. Man erzählte mir eine Anekdote, die mir unglaublich vorkam; aber sie wurde verschieden im Publikum hier und da wiederholt. Der Gouverneur, um ja durchaus außerstande zu sein, schnell zu handeln, läßt alle Kaliber der Kugeln durcheinander werfen und die Munition in Unordnung bringen. Die Franzosen nahmen ihren Weg nach Ägypten, und es war weder Gefecht noch Ergeben nötig; die Exzellenz zog sich durch ein sanftes, seliges Ende aus allen Verdruß. Hätten die Franzosen ihren Vorteil besser verstanden, anstatt an den Nil zu gehen vorher die Insel anzugreifen, mit zehntausend Mann hätten sie dieselbe mit ihrer gewöhnlichen Energie genommen und mit gehöriger Klugheit behauptet. Freilich wären dazu andere Maßregeln nötig gewesen, als ihre Generale und Kommissäre zur Schande der Nation und ihrer Sache hier und da ergriffen haben. Sizilien wäre auch in einem östlichen Kriege ein ganz anderer Zwischenpunkt als Malta; das zeigt die ganze Geschichte und schon ein einziger Blick auf die Insel. – Es kommen jetzt selten Schiffe aus Syrakus. Bloß im vorigen Kriege war es ein Zufluchtsort gegen die Stürme, und dabei hat die Stadt wenigstens etwas gewonnen. Jetzt nach dem Frieden vermindert sich die Anzahl der Ankommenden beständig wieder.
    Noch etwas Literarisches muß ich Dir doch aus dem südlichen Sizilien melden, damit Du nicht glaubst, ich sei ganz unter die Analphabeten getreten. Landolina läßt jetzt in Florenz eine Abhandlung drucken, in welcher er beweist, daß der heutige berühmte Syrakuser Muskatenwein der oinos pollios oder polios der Alten sei. Die klassischen Hauptstellen darüber sind, glaube ich, die

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