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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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fing er an jämmerlich zu schreien; wir erholten uns beide, und er sagte mir sodann mit vieler Eseltreiberweisheit, das sei sehr unklug von mir gewesen, daß ich so wenig Geduld gehabt habe; ich habe zwar von ihm nichts zu fürchten, weil er ehrlich sei, aber ich sei doch immer in seiner Gewalt. Avis dem Leser: der Junge hatte Recht, und ich schämte mich meiner Übereilung; wir versöhnten uns und ritten philosophisch weiter. Die fernere Nachbarschaft von Catanien ist, für Catanien, schlecht genug bebaut, die ganze Gegend des Simäthus könnte und sollte besser bearbeitet sein. In der Nähe der Stadt fängt die Kultur schöner an. Ich ließ an dem Stadttore den Jungen mit der Bezahlung laufen und spazierte oder hinkte vielmehr etwas gesäubert die Straße hinab, wendete mich an die erste Physiognomie, die mir gefiel, und die mich auch in dem Elephanten sehr gut unterbrachte. Für den beschädigten Fuß gab mir ein Arzt bei dem Professor Gambino Muskatnußöl, und es ward sogleich besser, und jetzt marschiere ich schon wieder ziemlich fest. Das habe ich auch nötig, denn ich will auf den Ätna, wo sich mancher schon den Fuß vertreten hat.
    Eben stehe ich von einer echt klassischen Mahlzeit auf, mein Freund, und ich glaube fast, es wäre die beste in meinem Leben gewesen, wenn nur einige Freunde wie Du aus dem Vaterlande mit mir gewesen wären. Aber mein Tischgeselle war ein hiesiger Geistlicher, eben die Physiognomie, die ich auf der Straße zum Führer bekam. Der Mann ist indessen für einen sizilischen Theologen vernünftig genug und hat mir eben, ich weiß nicht wie, klassisch bewiesen, daß Catanien das Vaterland der Flöhe sei. Meine Mahlzeit, Freund, war ganz vom Ätna, bis auf die Fische, welche aus der See an seinem Fuße waren. Die Orangen, der Wein, die Kastanien, die Feigen und die Feigenschnepfen, alles ist vom Fuße und von der Seite des Berges. Ich bin willens, ihn auf alle Weise zu genießen, deswegen bin ich hergekommen; und wohl nicht absichtlich, um das Unwesen der Regierung und der Möncherei zu sehen. In Catanien ist es wohl von ganz Sizilien und vielleicht von ganz Italien noch vielleicht am hellsten und vernünftigsten; das hat Biskaris und einige seiner Freunde gemacht, durch welche etwas griechischer Geist wieder aufgelebt ist. Es ist hier sogar eine Art von Wohlstand und Flor, der den schlechten Einrichtungen in der Insel Hohn spricht. Hier würde ich leben, wenn ich mich nicht bei den Kamaldulensern in Neapel einsiedelte. Hier fängt man wenigstens an, das Unglück des Vaterlandes, die Unordnungen und Malversationen aller Art, die schrecklichen Wirkungen der Unterdrückung und des dummen Aberglaubens recht lebhaft zu fühlen. Die Mönche haben den dritten Teil der Güter in den Händen, und wenn ihre Mast das einzige Übel wäre, das sie dem Staate verursachen, so könnte der gräßliche Druckfehler des Menschenverstandes doch vielleicht noch Verzeihung finden. Aber – mein Gott, wer wird ein Wort über die Mönche verlieren! Bonaparte wird sich zu seiner Zeit ihrer schon wieder ebenso tätig annehmen wie der übrigen, da sie mit ihnen zu seinem Systeme gehören. Es entfuhr mir aus kosmopolitischem Ingrimm hier in einer Gesellschaft, daß ich etwas unfein sagte:
»Les moines avec leur cortège sont les morpions de l'humanité.
« Die Sentenz wurde mit lautem Beifall aufgenommen und auf manchen vorübergehenden Kuttenträger angewendet. Du begreifst, daß man schon ziemlich liberal sein muß, um so etwas nur zu vertragen, freilich verträgt man es nicht überall; aber die Stimmung ist doch sehr lebendig gegen das Ungeziefer des Staats. Die Franzosen haben in der ganzen Insel keine geringe Partei; und diese nimmt es Bonaparte sehr übel, daß er nach Ägypten ging und nicht vorher kam und sie nahm, welches nach ihrer Meinung etwas Leichtes gewesen wäre. Mut, Klugheit, allgemeine Gerechtigkeit und Humanität, von welchen Eigenschaften er wenigstens die erste Hälfte besitzt, hätten mit zehntausend Mann die Sache gemacht, und es ist leicht zu berechnen, was Sizilien für den Krieg gewesen wäre, wenn es auch jetzt nicht mehr so wichtig ist als in den Karthagischen Kriegen oder unter den Normännern. Alle vernünftige Insulaner sind völlig überzeugt, daß sie bei dem nächsten Kriege, an dem Neapel nur entfernt Anteil nimmt, die Beute der Engländer oder Franzosen sein werden; und ich gab ihnen mit voller Überlegung den Trost, daß sie sich im Ganzen auf keinen Fall verschlimmern

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