Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
mehr habe, füttere ich keine mehr daraus.« Die Archäologen lachten über die bündige Erklärung, ohne welche sie unstreitig noch lange sehr gelehrt darüber gesprochen und vielleicht sogar geschrieben hätten. »So geht es uns wohl noch manchmal«, setzte Landolina sehr launig hinzu.
Die hiesigen Katakomben unterscheiden sich wesentlich von denen zu Neapel. Was beide ursprünglich gewesen sein mögen, ist wohl schwerlich zu bestimmen, aber daß beide in der Folge zu Begräbnisplätzen gedient haben, ist ausgemacht. Von den syrakusischen ließe sich vielleicht aus dem Bau mehr behaupten, daß sie ursprünglich dazu gehauen wurden. Der große Unterschied der neapolitanischen und syrakusischen besteht darin, daß in den neapolitanischen die Leichenbehälter von dem Boden aufwärts und hier in die Tiefe der Wand hineingearbeitet sind. Dort sind unten die größern und dann an der Wand herauf die kleinern Behälter; hier sind vorn die größern und dann weiter in der Felsenwand hinein die kleinern, so daß in Neapel das Dreieck der Lage an der Seite aufwärts, in Syrakus mit der Spitze einwärts niedergelegt zu denken ist. Beschreibung ist schwer, und Zeichnung macht noch mehr Umstände; ich weiß nicht, ob ich Dir deutlich geworden bin. Ein autoptischer Anblick gibt es in einem Moment. In Neapel lagen die Kadaver in kleineren Nischen an der Wand hinauf, unten die größeren und aufwärts immer kleinere; in Syrakus in den Felsen hinein, vorn größere und hinterwärts immer kleinere. Hier habe ich den einzigen vernünftigen Mönch als Mönch in meinem Leben gesehen. Wo man sonst auch noch zuweilen gute und vernünftige trifft, sind sie es wenigstens nicht als Mönche. Der Eingang in die Grüfte ist hier eine alte Kirche des heiligen Johannes, wo nur noch selten Gottesdienst gehalten wird. Dieser Mönch ist der einzige Bewohner der Kirche und der Katakomben Glöckner und Sakristan und Abt und Kellner und Laienbruder zugleich. Das erstemal, als wir kamen, war er nicht zu Hause, sondern in der Stadt nach Lebensmitteln. Als wir umkehrten, begegneten wir ihm in den Feigengärten und gingen wieder mit ihm zurück nach Sankt Johannis. Er machte für einen Religiosen einen etwas sonderbaren, genialischen Auszug. Seine Eselin hatte gesetzt, und doch hatte er sie nötig, um seine Viktualien aus der Stadt zu holen; er nahm sie also mit dem jungen Esel von dreiundzwanzig Stunden zusammen. Der kleine Novize des Lebens konnte natürlich die große Tour nicht aushalten. Der Mönch mit seinem langen Talar nahm seinen Zögling auf die Schulter und ging voran, und die Mutter folgte in angeborner Sanftmut und Geduld mit den Körben. So fanden wir den Gottesmann. Er ist übrigens ein ehrlicher Schuster aus Syrakus, der drei Söhne erzogen und zur Armee und auf die See geschickt hat. Nach dem Tode seiner Frau, da seine abnehmenden Augen dem Ort und dem Draht nicht mehr recht gebieten wollten, hat ihn der Bischof hierher gesetzt; vielleicht das Gescheiteste, was seit langer Zeit ein Bischof von Syrakus getan hat! Die Krypte der Kirche, wo noch Gottesdienst gehalten wird, ist auch schon tief und schauerlich genug. Von den Gemälden in den verschiedenen Abteilungen der Katakomben läßt sich wohl nicht viel sagen, denn sie sind meistens neu. Aus einer griechischen Inschrift habe ich auch nichts machen können, das ist indessen kein Beweis, daß es andere nicht besser verstehen. Die Leute fabeln hier, daß diese Katakomben bis nach Catanien gehen, vermutlich weil man ehemals dort auch Katakomben gefunden haben mag. Das ist ebenso, als wenn zuweilen der Führer der Baumannshöhle versichert, daß sie sich bis nach Goßlar erstrecke.
Der Sommer muß hier zuweilen schon fürchterlich sein, denn Landolina erzählte mir von einem gewissen Südwestwinde, den man
il ponente
nennt, welcher zuweilen in einem Nachmittage durch seinen Hauch alle Pflanzen im eigentlichen Sinne verbrenne, die Bäume entlaube und den Wein verderbe. Der Sirocco soll ein kühlendes Lüftchen gegen diesen sein, man finde nachher in einem solchen Grade alles verdorrt, daß man es sogleich zu Asche reiben könne. Zum Glück sei er nur sehr selten. Auch der Hagel, der hier zuweilen falle, sei so groß und scharf, daß er die Stengel der Pflanzen und die Äste der Bäume nicht zerknicke, sondern zerschneide. Dieses seien die zwei gefährlichsten Landplagen in dem südlichen Sizilien. Die Winter sind gewöhnlich von keiner Bedeutung; nur der vergangene ist etwas hart gewesen,
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