Spekulation in Bonn
Parteispenden. Das wird schon etwas eng.«
»Ach was, kein Problem«, wischte der Staatssekretär die Bedenken beiseite. »Wir beide wissen doch: die Tunnelprojekte sind praktisch auch gelaufen, noch ein paar hundert Millionen mehr auf dem Markt. Ist ja nicht meine Sache, aber unser Mann kann’s gebrauchen. Dessen Name im Portefeuille der Firma – damit läßt sich diskret das Image stärken. Natürlich alles legal – versteht sich.«
Arno von Sendenstein kannte die Spielregeln. »Ein wirklich guter Gedanke«, sagte er. »Ich werde mal auf den Herrn Abgeordneten zugehen und versuchen, ihn für eine Beratung zu gewinnen.«
Der Staatssekretär hob kurz sein Glas. »Alsdann zum Wohl!« Von Sendenstein dankte, so gut es im Gedränge ging, mit einem »Santé«.
Wie der »Zufall« auf dem Bonner Parkett so spielt, plauderte der Abgeordnete Hinterwimmer auf der anderen Seite des Saals mit einem Würdenträger im Ornat und zwei renommierten Wissenschaftlern über Umweltfragen. Im Rahmen des gegenseitigen Rollenverständnisses fiel es Arno von Sendenstein nicht schwer, seinen künftigen Helfer diskret anzusprechen und für eine externe Beratung der Firma Koordinata-Bonn zu gewinnen.
Der »Internationale Hostessen-Service« war eine Institution, auf welche die Bundeshauptstadt nicht verzichten konnte. Mancher Tagesgast und nicht wenige ausländische Delegationsmitglieder wären in Bonn hilflos oder einsam gewesen, wenn sich ihrer nicht die sprach-, schreib- und ortskundigen Damen angenommen hätten. Der Service funktionierte rund um die Uhr, auch an Wochenenden. Beim Service galt ein eiserner Grundsatz: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Die Honorarbedingungen waren knallhart; die Anforderungen an das Personal auch: Steno-Höchstleistungen, Maschinenschreiben perfekt, Korrespondenzerfahrungen in wenigstens zwei Fremdsprachen. Gute Figur und gutes Benehmen galten als selbstverständlich.
Die Geschäftsleitung des in allen Großstädten Europas vertretenen Hostessen-Service steuerte das Unternehmen aus der Schweiz. Über ein ausgeklügeltes System liefen Topinformationen in die Zentrale. Von dort wurden die Berichte der Mädchen über einflußreiche Auftraggeber zusätzlich honoriert. Für Angaben über ihren »außerdienstlichen Umgang« mit den Kunden gab es den doppelten Satz. Dieses System, so begründete es die Zentrale, sollte dem Schutz der Mitarbeiterinnen dienen. Gespräche darüber mit Dritten waren strengstens untersagt.
Johann Wanitzky wußte die Arbeit des Service von früheren Aufenthalten in Bonn zu schätzen. In dieser Dependance, mit dem Geschäftssitz in der Kaiser-Bastion, war natürlich nicht bekannt, daß in erster Linie sein Kapitaleinsatz bei der Holding in Genf den Internationalen Hostessen-Service zusammenhielt. In Bonn war Wanitzky nur »Kunde«. Entgegen seiner Gewohnheit, die einfachen Geschäftsangelegenheiten möglichst per Telefon abzuwickeln, ging er nach einem guten Essen von seinem Hotel am Rhein zu Fuß quer durch die Stadt in Richtung Kaiser-Bastion.
Am Hauptbahnhof kaufte er ein halbes Dutzend internationaler Tageszeitungen und ließ seine Augen über das Gebäude wandern. Dieser kleine, alte, aber gefällige Bau aus der Kaiserzeit hatte mit dem Älterwerden der Republik sein Kleinstadt-Image verloren und museales Ansehen erlangt. Künstlerisches auch, denn hier auf der Treppe hatte Bölls Clown Schnier zur Gitarre um Almosen gesungen: »Der arme Papst Johannes, hört nicht die CDU, er ist nicht Müllers Esel, er will nicht Müllers Kuh.«
Die Kaiser-Bastion lag gegenüber an der Maximilianstraße, Produkt einer modernen Bauplanung. Ein paar Hausnummern weiter, in einem der noch nicht von der Spitzhacke erreichten Altbauten, dämmerte ein Pornoladen vor sich hin. Welcher Altoder Neubonner würde es schon wagen, offen über die Straße dort hineinzugehen?
Beim Service wurde mit kleiner Besetzung gearbeitet. Die Managerin, im schlichten Kostüm mit lachsfarbener Bluse, nahm aufmerksam Wanitzkys Anliegen entgegen. Sie hatte den Kunden sofort erkannt und holte eine Karte aus dem Karteikasten. »Selbstverständlich kann Ihnen Frau Ritter wieder zur Verfügung stehen. – Französisch, Englisch – gibt es weitere Anforderungen?«
Wanitzky hatte keine zusätzlichen Wünsche, fragte aber: »Deutsches Handelsrecht, Kenntnisse über Anlagen und Investitionen – wie sieht es damit aus?«
Die Managerin sah auf die Karte. »Investitionen, dazu ist nichts vermerkt. Handelsrecht, da
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