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Sperrzone Fukushima

Sperrzone Fukushima

Titel: Sperrzone Fukushima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William T. Vollmann
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Haus, das nur von außen unversehrt aussah. Er trug eine Mütze, offenbar um sich zu wärmen. Dicke Brocken der Decke hingen von den Dachbalken; der Rigips war zerrissen wie Pappe. Im Wohnzimmerschrank stand alles an seinem Platz, aber der Schrank selbst neigte sich etwa dreißig Grad.
    Herr Kawanami sagte: »Ich war zuhause, als das Beben kam.Bei mir im Büro sollte es eine Sitzung geben, also wollte ich mir gerade einen Anzug anziehen. Die Schäden waren nicht groß, also zog ich mir wieder meine Arbeitskleidung an und fuhr die Büroangestellte zu ihrer Wohnung beim Supermarkt. Dann machte ich mich zum Büro auf. Es gab einen Verkehrsstau, und es hieß, dass ein Tsunami kommt, also kehrte ich um und wollte wieder nach Hause. Ich sah Wasser aus dem Kanal an der Oberschule kommen und schwimmende Autos; also ging es in dieser Richtung nicht weiter. Ich kehrte wieder um und versuchte, weiter nach oben zu gelangen. Am Flussufer sagten mir die Feuerwehrleute, ich solle nicht in diese Richtung fahren, dabei sah es nicht schlimm aus. Aber das Wasser schien doch etwas höher zu stehen, und dann sah ich es über den Deich kommen. Also bin ich geflohen. Ich musste vier Nächte lang auf nacktem Boden schlafen. Ich ging nach Yamato, weil ich sicher sein wollte, dass es meinen Enkelkindern gutging. Dann wurde das Gas knapp, und es war sehr kalt. Ich fand einen Müllbeutel, um mich warm zu halten – es war wirklich kalt! Es schneite. Ich versuchte, einen warmen Flecken zu finden; ich nahm mir immer mehr Müllbeutel als Hemd …«
    »Welche Farbe hatte der Tsunami?«
    Er lachte. »Das weiß ich nicht mehr. Er soll schwarz gewesen sein, voller Öl.«
    Er war ein fröhlicher, runzliger alter Herr von sechsundsechzig Jahren mit einem weißen Bart und einem Arbeitergesicht. Er war der Sicherheits- und Hygienebeauftragte der Werft. Die Nachbarn standen im Kreis um uns herum. Auf dem verdreckten Tisch stand Saft in Dosen. Seine Frau hatte ein paar völlig aufgelöste chinesische Mädchen in den zweiten Stock eines Parkhauses gebracht, und sie hatten alle überlebt. »Alle sind auf die Dächer«, sagte er. Die zweite oder dritte Tsunamiwelle war seiner Meinung nach die schlimme gewesen, die Menschen trieben in ihren Autos im Wasser und riefen um Hilfe, bis sie untergingen. Herr Kawanami sagte: »Gestern hatte ich diese Bilder im Kopf, und ich wurde depressiv und verwirrt …«
    Ein Paar aus seiner Bekanntschaft war geflüchtet. Die Frau war nach Hause zurückgekehrt, der Wertsachen wegen, weil sie eine gute Schwimmerin war. Zum Glück hatte ihre Leiche geborgen werden können; eine der beiden Tüten mit Kostbarkeiten hielt sie noch immer umklammert.
    »Wenn Sie an alles zurückdenken, was Sie durchlitten haben«, fragte ich ihn, »glauben Sie, dass der Reaktorunfall das alles noch übertreffen wird?«
    »Was soll ich sagen? Das liegt jenseits meiner Vorstellungskraft. In dieser Gegend wohnen Senioren. Ein Haus wieder aufzubauen, das kostet, und viele Menschen haben Angst. Meine Frau sagt, wenn alle fortgehen, werden wir als Einzige bleiben. Wir glauben, wir können bleiben, bis wir sterben, weil wir alt sind, denn das hier « – er muss den Tsunami gemeint haben – »kommt nur alle tausend Jahre vor. Ich wollte in diesem Jahr in den Ruhestand gehen und mir ein schönes, ruhiges Leben machen. Aber das Geld für meine Zukunft wird für Reparaturen draufgehen. Außerdem reden die Leute im Kernkraftwerk von einer Atomexplosion. Unser Gouverneur ist so stolz auf unser Kernkraftwerk, verglichen mit Fukushima.«
    In dem ganzen Schmutz standen die schlammigen Teller noch immer säuberlich aufgestapelt. Das Trinkwasser war noch zu knapp, um damit abzuwaschen.
    Auf meine Bitte hin führte Herr Kawanami mich ins Obergeschoss, um den Sand und Schlick zu bewundern. Er sagte: »Als die Welle kam, zappelten alle Tatamimatten so !«, und seine Arme wanden sich.
    Ich dankte ihm, verabschiedete mich mit meinem artigsten Diener und wurde als Nächstes Frau Ito Yukiko vorgestellt, sechsundsechzig Jahre alt, die mich mit zusammengekniffenen Augen empfing. Die Schultern hochgezogen und die Fäuste im Schoß, so saß sie am Rand ihrer angeschlagenen, aufgerissenen Betonveranda, in orangefarbenen Regenhosen, einem schmuddeligen Pullover und einer über die Augenbrauen gezogenen weißgestreiften Wollmütze. Die Zehen ihrer Pantoffeln berührten den matschigen, schuttbedeckten Boden, der zufällig mit Tellerscherben geschmückt war. Genau wie im Rest des

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