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Spiegelkind (German Edition)

Spiegelkind (German Edition)

Titel: Spiegelkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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am Hinterkopf. Meine Mutter hat irgendwelche Blätter darauf gelegt und den Verband in einem Sud getränkt, der mehrere Stunden auf dem Ofen geköchelt hat, während wir uns die Nasen zuhielten. Mit dem Verband sieht Ivan aus wie eine Mumie. Seit er wieder bei Bewusstsein ist, liegt er auf der Seite und schaut dem Trubel im Zimmer zu. Er ist noch schwach und die Umstellung macht ihm zu schaffen. Wenn alle unterwegs sind, ist es meine Aufgabe, nach Ivan zu sehen. Wir reden kaum. Meine Mutter sagt, dass Ivan nach der Gehirnerschütterung Ruhe braucht. Mir ist das recht, ich will auch nicht reden.
    Meine Geschwister sind glücklich und Ksü wie berauscht. Nachdem sie aufgehört hat, um ihre Eltern zu weinen, ist sie wieder ein bisschen wie früher. Ich muss oft an das denken, was meine Mutter als Inspiro bezeichnet hat. Gehört Ksüs Körper gar nicht mehr ihr selbst? Und wer hat immer mit mir gesprochen, sie selbst oder ihr Inspiro?
    Und ich warte, dass Jaro oder Kassie nach unserem Vater fragen. Sie tun es nicht. Ich überlege, ob sie die ganze Zeit an ihn denken, so wie ich auch. Aber es scheint, als hätten sie vergessen, dass es ihn je gegeben hat.
    Ich bin nicht glücklich. Obwohl die Welt meiner Mutter paradiesisch ist – oder vielleicht genau deswegen. Etwas tief in mir drin stört. Ich fühle mich, als hätte ich mich reingemogelt, als hätte ich eigentlich ganz andere Dinge tun müssen. Ich warte darauf, dass alles zusammenbricht, dass bewaffnete Polizisten den Wald stürmen, das Haus abbrennen, uns verletzen oder töten, und dies hoffentlich schnell, damit die Angst der Kleinen nicht so lange dauert, denn es gibt nichts Schlimmeres auf der Welt als die Angst vor dem Tod.
    Ich kann das Gefühl nicht loswerden, etwas Verbotenes zu tun.
    Ich hoffe, dass die Tage, die ich hier verbringe, sich kürzer anfühlen für meinen Vater, der auf der anderen Seite des Quadrums geblieben ist. Ich habe meiner Mutter nichts von seiner Bitte erzählt, nichts von seinen Worten an mich.
    Bis ich eines Tages nicht mehr kann.
    Ich nehme sie am Ärmel, ziehe sie raus auf die Terrasse, zische meine Geschwister an, sie sollen uns für eine Sekunde allein lassen, und erzähle, dass mein Vater sie gebeten hat zurückzukommen. Oder wenigstens Kassie. Ich sehe, dass sie das mit Kassie sehr genau weiß. Es wundert mich nicht, dass das Gesicht meiner Mutter sich bei diesen Worten sofort verschließt.
    Ich rede weiter. Dass mein Vater für ihre Sicherheit garantiert, wenn sie ihm nur hilft. Dass er ohne sie stirbt. Dass ich mich schuldig fühle, weil ich es ihr nicht gleich gesagt habe, aus Angst um sie. Dass ich hoffe, dass noch nichts passiert ist, was man nicht mehr umkehren könnte.
    Laura hört mir zu. Dann steht sie auf, küsst mich auf die Stirn, springt von der Terrasse runter ins Gras. Ich weiß, wohin der Weg führt, auf den sie gerade ihren nackten Fuß setzt.
    »Bleib hier!«, sage ich und würge an meinen Tränen. »Ich glaube nicht, dass man ihm trauen kann.«
    »Mach dir keine Sorgen«, sagt meine Mutter.
    »Ich mache mir aber Sorgen! Was hilft es, wenn alle hier glücklich rumsitzen, wenn dir was zustößt?«
    »Ich komme bald wieder«, sagt meine Mutter. »Ich verspreche es dir.«
    »Das ist doch verrückt – erst waren wir getrennt, weil du hier warst und wir bei Papa, und jetzt sind wir hier und du kehrst zu ihm zurück.«
    »Ich kehre nicht zu ihm zurück«, sagte meine Mutter. »Aber ich werde sehen, was ich tun kann.«
    Ich sage nichts mehr. Sie legt die Hand kurz an meine Wange und läuft den Pfad entlang. Es ist der Pfad, der in mein früheres Zimmer zu Hause führt.
    Ich renne hinterher.
    Meine Mutter ist zu schnell. Sie ist so rasch aus meiner Sicht verschwunden, dass ich Panik kriege. Ohne sie in dem Wald zu sein, bekommt etwas Bedrohliches. Ich möchte sie nicht einfach so gehen lassen, auch nicht für kurze Zeit. Denn ich bin die älteste Tochter – ist meine Mutter nicht da, werde ich sie vertreten müssen. Aber wie soll ich es tun, wenn ich mich selber nicht auskenne? Ich habe den Wald bis jetzt als gnädig empfunden. Aber ich war fast immer im Haus. Und meine Mutter ist immer da gewesen.
    Wenn meine Mutter eine Stunde in der Welt da draußen bleibt, dann kann es doch sein, dass es sich hier im Wald wie Wochen anfühlt, denke ich zitternd. Und wenn sie Tage bleibt? Fühlt sich das hier nach einem ganzen Leben ohne sie an? Gerade jetzt, wo ich sie zurückhabe?
    Ich renne schneller.
    Schon mit dem ersten

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