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Spiegelschatten (German Edition)

Spiegelschatten (German Edition)

Titel: Spiegelschatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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mischte. Kaum hatte man es bemerkt, war es auch schon wieder vorbei.
    Er stellte den Becher ab, stand auf und tappte auf nackten Füßen in die Küche. Romy war damit beschäftigt, einen Artikel aus einer Illustrierten auszuschneiden. Und das im Zeitalter des Internets, dachte Calypso mit liebevollem Spott, sprach es jedoch nicht aus.
    » Frauen, die vergewaltigt wurden, können jetzt anonym die Spuren der Tat sichern lassen«, erzählte sie ihm begeistert. » Die werden dann im Institut für Rechtsmedizin hier an der Uniklinik zwei Jahre lang aufbewahrt. Entscheidet sich das Opfer erst Wochen oder sogar Monate später dazu, seinen Vergewaltiger anzuzeigen, können die Beweismittel direkt an die Ermittlungsbehörde weitergeleitet werden. Genial!«
    Calypso schaute ihr über die Schulter. Sein Kinn berührte ihre kurzen Haare, die ihr verwuschelt vom Kopf abstanden.
    » Direkt nach einer Vergewaltigung haben die meisten Frauen wahrscheinlich erst mal das Bedürfnis, Abstand zu gewinnen«, fuhr Romy fort, ohne seine Antwort abzuwarten. » Wenn du voller Ekel und Scham bist, traust du dir nicht unbedingt zu, zur Polizei zu gehen, ganz abgesehen von der elenden Prozedur, die darauf folgt.«
    Calypso hatte keine Lust, jetzt irgendwelche weltanschaulichen Themen zu erörtern, wie wichtig sie auch sein mochten. Er wollte zurück ins warme Bett und das mit Romy zusammen.
    Er küsste ihren Hals.
    Romy zog den Kopf weg und schnippelte weiter an der Illustrierten herum. Machte ihm jetzt etwa ein mickriger Artikel Konkurrenz?
    Calypso vergrub die Finger in ihrem Haar und begann mit behutsamen Bewegungen, ihre Kopfhaut zu massieren. Das brachte sie normalerweise dazu, den Kopf zurückzulegen, die Augen zu schließen und wie eine Katze zu schnurren.
    Diesmal nicht. Sie schüttelte seine Hände ab.
    » Bitte, Cal… ich hab zu tun.«
    » Artikel ausschneiden und einkleben? Und das lässt sich nicht auf morgen verschieben?«
    Er war verletzt, doch das wollte er ihr nicht zeigen.
    » Für dich mag das aussehen wie Kinderkram, aber es gehört zu meiner Arbeit.«
    » Eher zu der Art, wie du arbeitest.«
    » Und wenn schon.« Sie warf ihm einen wütenden Schulterblick zu. » Eine andere Art hab ich eben nicht.«
    Calypso hätte sich auf die Zunge beißen mögen. In letzter Zeit gerieten sie ständig in Streit. Er hatte keine Ahnung, wie es passierte. Ein Wort zu viel, und sie waren mittendrin.
    Er hatte Sehnsucht nach ihr gehabt, nach ihrer Haut, ihren Berührungen und ihrem leisen Lachen. Er hätte sie gern in die Arme genommen und gehalten, hätte sie gern geliebt und wäre danach gern mit ihr eingeschlafen. Und wenn er mitten in der Nacht oder am frühen Morgen aufgewacht wäre, hätte er sich seufzend an sie geschmiegt und wäre einfach wieder in den Schlaf abgetaucht.
    Hätte. Wäre. Könnte.
    Bei Romy war alles Konjunktiv. Nie ließ sie sich ganz auf ihn ein. Immer drängte sich ihre verfluchte Arbeit zwischen sie, und Calypso hegte allmählich den Verdacht, dass sie über allem stand.
    Zornig ging er ins Schlafzimmer, schnappte sich seine Klamotten und klemmte sich die James-Dean-Biografie unter den Arm. Als er die Küche wieder betrat, klingelte Romys Handy.
    » Hi, Ingo«, sagte sie und lehnte sich entspannt zurück.
    Ingo Pangold. Lokalredakteur beim Kölner Anzeiger. Klar, für so einen hatte sie Zeit, selbst wenn sie ihn nicht mal besonders mochte. Und selbst wenn er zu den unmöglichsten Zeiten anrief. Meistens wegen nichts.
    Calypso stürmte hinaus und knallte die Wohnungstür hinter sich zu, dass es schepperte.
    *
    Dieser Typ hatte den Tod verdient.
    Mit so einem brauchte man kein Mitleid zu haben. Es gab eine göttliche Logik hinter allem. Und die Pflicht, diese Logik aufrechtzuerhalten. Das war es, was er als seine Aufgabe betrachtete.
    Engel in der Finsternis, dachte er.
    Er lachte leise in die nächtliche Dunkelheit, die ihn umgab. Kein Mond am Himmel und kein Stern. Kein Geräusch. Nur das Rascheln des Bettzeugs, wenn er sich bewegte.
    Das ruhige, gleichmäßige Atmen neben ihm störte ihn nicht, aber es verwirrte ihn ein wenig. Es war so präsent, so kompakt, so … körperlich.
    Als lebte es allein aus sich selbst heraus.
    Vielleicht sollte er den Arm ausstrecken, um es zu berühren. Vielleicht würde er dann sehen, dass es dieses Atmen überhaupt nicht gab.
    Bildete er sich das wieder nur ein?
    Es passierte ihm so oft. Er sah Personen, die es nicht gab. Gegenstände, die nicht existierten. Und er hörte, was

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