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Spiegelschatten (German Edition)

Spiegelschatten (German Edition)

Titel: Spiegelschatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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andere nicht wahrzunehmen schienen.
    Bilder und Laute konnten eine zerstörerische Kraft besitzen. Die wenigsten Menschen wussten das. Oder sie wollten es nicht wahrhaben.
    Er fragte sich, warum andere nicht erkannten, wie feindselig der Schatten eines Tisches sein konnte. Oder das Klingeln eines Telefons.
    Und erst die Stimmen.
    Sie kamen von überall her. Rieselten von den Wänden, krochen über den Boden, lösten sich aus den Winkeln. Nicht mal draußen ließen sie ihn in Frieden. Raschelten im Gebüsch, wehten mit dem Wind, knisterten im Sonnenlicht.
    Sie wussten alles über ihn, kannten seine Eitelkeit und seine Ängste, seine Hoffnungen und Irrtümer. Sie ließen ihm keine Ungenauigkeit durchgehen und erst recht keine Lüge. Nicht mal seine Gedanken waren vor ihnen sicher.
    Es gab kein Entrinnen. Keine Rettung.
    Und wenn er gar nicht erst versuchte, es zu berühren, dieses Atmen, das die ganze Zeit da war, so sehr, dass er es nicht länger ignorieren konnte? Wenn er es einfach neben sich duldete?
    Doch schon hob er die Hand.
    Wie fremdgesteuert, dachte er. Aber von was? Von wem?
    Der Schweiß brach ihm aus von der vergeblichen Anstrengung, seine Hand zu kontrollieren. Sein Herz schlug hart und schnell. Sein Mund wurde trocken.
    Es fühlte sich an wie ein Körper. Wie nackte Haut.
    Warm.
    Lebendig.
    Unheimlich.
    Blitzschnell zog er die Hand zurück und steckte sie unter die Bettdecke. Leise, fast lautlos fing er an zu summen. Keine Melodie, die er kannte, einfach Töne, die ihm in den Kopf drängten.
    Er konnte jetzt das Atmen neben sich nicht mehr hören. Es wurde von seinem Summen überdeckt. Doch das nahm ihm nichts von seiner wachsenden Angst. Denn auch wenn er es nicht mehr hören konnte, wusste er:
    Es war immer noch da.
    *
    Romy stellte ihren Wagen in der Tiefgarage am Friedensplatz ab und machte sich auf den Weg zur Uni. Bonn war für sie untrennbar mit ihrem Bruder verbunden. Vielleicht hatte sie die Stadt deshalb so ins Herz geschlossen. Sie hätte sich gern Zeit für eine n morgendlichen Bummel genommen, doch dazu war ihre Unruhe zu groß.
    Sie ging die Friedrichstraße entlang und warf nur einen kurzen Blick in die Schaufenster der kleinen Läden, die gerade erst öffneten. In der Bonngasse versagte sie sich schweren Herzens einen Abstecher in ihren vollgestopften, bunten Lieblingsladen, der lauter ausgefallene Dinge anbot: schrille Sonnenbrillen , verrü ckten Schmuck und originelle Taschen, Mützen und Hüte.
    Heute war keine Zeit dafür.
    Ein Assistent an der Uni war ermordet worden, und Greg hatte sie losgeschickt, um sich ein bisschen umzuhören. Vielleicht witterte er eine Geschichte, sicher sogar. Romy war ihm dankbar dafür, dass er sie ausgerechnet ihr anvertraute.
    Gregory Chaucer, halb Deutscher und halb Ire, war nicht zufällig Verleger und Chefredakteur des erfolgreichen KölnJournals geworden. Er hatte einen unbestechlichen Riecher für Geschichten.
    Und für Begabungen. Als er Romy das Volontariat angeboten hatte, war das gleichzeitig ein Versprechen gewesen. Er hatte beschlossen, sie zu fördern und dem Talent, das er in ihr entdeckt hatte, zu vertrauen.
    Romys Kollegen sahen es nicht gern, dass er ihr manches Mal Aufgaben übertrug, die für sie noch ein, zwei Nummern zu groß waren. Tatsächlich balancierte sie auf einem dünnen Seil hoch oben in der Luft, aber sie wusste, dass Greg sie bei einem Sturz auffangen würde.
    Sie wandte sich nach links in die Sternstraße, wo sie von den Geräuschen und Gerüchen des Markts empfangen wurde, widerstand jedoch dem Bedürfnis, an den Ständen entlang zu schlendern. Schließlich erreichte sie die Fürstenstraße, die sie direkt zum Haupteingang der Uni führte.
    Greg war damit einverstanden, dass sie sich Zeit ließ. Sobald sie hier fertig war, würde sie deshalb zu Björn fahren, um zu sehen, was mit ihm los war. Es musste einen Grund geben, warum er sich nicht meldete und ihre Anrufe nicht entgegennahm.
    Romy hatte beschlossen, in der Cafeteria anzufangen. Mit einem Cappuccino in der Hand blieb sie vor einem der Tische stehen, an dem ein Student saß, der einen offenbar eben erst gekauften Krimi aus einem verknautschten Leinenbeutel zog.
    » Hi. Darf ich?«
    Er nickte, klappte das Buch auf, überflog ein paar Zeilen, blätterte weiter, schlug es wieder zu und stopfte es in den Beutel zurück.
    » Schon von dem Mord gehört?« fragte Romy aufs Geratewohl.
    Wieder nickte er.
    Volltreffer. Nur nützte der nichts, wenn sie den Knaben nicht zum

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