Spiel der Magier
die Königin von Nyissa ihn wohl haben? Er war ja sehr nett, mit glattem, sandfarbenem Haar, das ihm immer in die Stirn fiel, so daß es sie in den Fingern kribbelte, es zurückzustreichen. Er hatte auch ein ganz nettes Gesicht – auf eine einfache Art –, und er war jemand, mit dem sie reden konnte, wenn sie sich allein oder verängstigt fühlte, jemand, mit dem sie streiten konnte, wenn sie sich ärgerte, denn er war nur wenig älter als sie selbst. Aber er weigerte sich entschieden, sie mit dem ihr zustehenden Respekt zu behandeln – wahrscheinlich wußte er nicht einmal, wie er das hätte anstellen sollen. Warum all das unausstehliche Interesse an ihm? Sie grübelte und betrachtete ihn nachdenklich.
Sie tat es schon wieder. Ärgerlich riß sie ihre Augen von ihm los. Warum beobachtete sie ihn nur immer? Jedesmal, wenn ihre Gedanken umherwanderten, suchten ihre Augen automatisch sein Gesicht, und so aufregend war das Gesicht doch auch wieder nicht. Sie hatte sich sogar dabei ertappt, wie sie vor sich selbst Entschuldigungen fand, um sich so zu setzen, daß sie ihn beobachten konnte. Es war zu dumm!
Ce’Nedra kaute an ihrer Haarsträhne und dachte nach und kaute weiter, bis ihre Augen sich wieder einmal auf Garions Züge hefteten.
»Wird er wieder ganz gesund?« polterte Barak, der Graf von Trellheim und zupfte abwesend an seinem mächtigen roten Bart, während er der Dame Polgara dabei zusah, wie sie letzte Hand an Belgaraths Verband legte.
»Es ist nur ein einfacher Bruch«, antwortete sie geschäftsmäßig und legte ihr Verbandszeug beiseite. »Und bei dem alten Narren heilt es schnell.«
Belgarath stöhnte, als er seinen frisch geschienten Arm bewegte. »Du hättest nicht so grob zu sein brauchen, Polgara.« Seine rostbraune alte Tunika wies mehrere dunkle Schmutzflecken auf und einen neuen Riß, beredte Zeugnisse seines Zusammenstoßes mit einem Baum.
»Er mußte gerichtet werden, Vater«, erwiderte sie. »Du willst doch nicht, daß er schief zusammenwächst, oder?«
»Ich glaube, es hat dir auch noch Spaß gemacht«, sagte er vorwurfsvoll.
»Nächstes Mal kannst du ihn selbst richten«, schlug sie kühl vor und glättete ihr graues Kleid.
»Ich brauche etwas zu trinken«, brummte Belgarath den riesigen Barak an. Der Graf von Trellheim ging zu der schmalen Tür. »Könntest du bitte einen Krug Bier für Belgarath bringen lassen?« fragte er den draußen wartenden Seemann.
»Wie geht es ihm?«
»Er ist schlecht gelaunt«, antwortete Barak. »Und das wird wahrscheinlich noch schlimmer, wenn er nicht bald etwas zu trinken bekommt.«
»Ich gehe sofort.«
»Kluge Entscheidung.«
Dies war noch etwas, das Ce’Nedra verwirrte. All die Edelleute in ihrer Gruppe behandelten diesen schäbig aussehenden alten Mann mit enormem Respekt; aber so weit sie wußte, besaß er nicht einmal einen Titel. Sie konnte mit größter Präzision den genauen Unterschied zwischen einem Baron und einem General der Kaiserlichen Legionen bestimmen, zwischen einem Großherzog von Tolnedra und einem Kronprinzen von Arendien, zwischen dem Rivanischen Hüter und dem König von Cherek, aber sie hatte keinerlei Vorstellung, wo Belgarath einzuordnen war. Ihr materiell orientierter tolnedrischer Verstand weigerte sich sogar, die Existenz von Zauberern zu akzeptieren. Während es schon stimmte, daß die Dame Polgara, mit Titeln fast aller Königreiche des Westens ausgestattet, die am meisten respektierte Frau der Welt war, war Belgarath ein Vagabund, ein Landstreicher und recht häufig sogar ein öffentliches Ärgernis. Und Garion, rief sie sich in Erinnerung, war sein Enkel.
»Es ist an der Zeit, uns zu erzählen, was geschehen ist, Vater«, sagte die Dame Polgara zu ihrem Patienten.
»Ich würde lieber nicht darüber reden«, antwortete er kurz.
Sie wandte sich an Prinz Kheldar, den merkwürdigen kleinen drasnischen Edelmann mit dem scharfgeschnittenen Gesicht und dem sardonischen Witz, der mit frecher Miene auf einer Bank lag. »Nun, Silk?« fragte sie.
»Du kannst sicher meine Lage verstehen, alter Freund«, entschuldigte sich der Prinz mit allen Anzeichen tiefsten Bedauerns bei Belgarath. »Wenn ich versuche, Geheimnisse zu bewahren, wird sie mich zwingen zu reden – auf unerfreuliche Art, denke ich mir.«
Belgarath sah ihn steinern an, dann schnaubte er voller Abscheu.
»Es ist nicht so, daß ich etwas sagen wollte, verstehst du.«
Belgarath wandte sich ab.
»Ich wußte, du würdest es verstehen.«
»Die Geschichte,
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