Spiel der Magier
wie zuvor. Nur wurde festgestellt, daß der Gorim anscheinend weniger Zeit damit verbrachte Das Buch von Ulgo zu studieren und sich mehr mit brüchigen alten Pergamentrollen über Prophezeiungen beschäftigte. Aber eine gewisse Eigenheit konnte man von jemandem, der die Höhlen von UL verlassen und in die Welt anderer Völker gegangen war, ja wohl erwarten.
Da erschien ein seltsamer alter Mann am Eingang zu den Höhlen und verlangte den Gorim zu sprechen. Und die Kraft seiner Stimme war derart, daß der Gorim herbeigerufen wurde. Dann wurde zum erstenmal, seit das Volk in den Höhlen Zuflucht gesucht hatte, jemand eingelassen, der nicht zu dem Volke ULs gehörte. Der Gorim nahm den Fremden mit in seine Kammer und blieb dort tagelang mit ihm eingeschlossen. Und anschließend kam der seltsame alte Mann mit dem weißen Bart und den zerlumpten Kleidern in langen Abständen wieder und wurde von dem Gorim willkommen geheißen.
Einst hatte sogar ein Knabe berichtet, daß ein großer grauer Wolf bei dem Gorim sei. Aber das war wahrscheinlich nur ein Fiebertraum, obwohl der Junge sich weigerte, zu widerrufen. Das Volk aber paßte sich der Eigenart seines Gorims an und akzeptierte sie. Und die Jahre vergingen, und das Volk dankte seinem Gott in dem Bewußtsein, daß es das auserwählte Volk des Großen Gottes UL war.
Teil Eins
Maragor
1
I hre Kaiserliche Hoheit, Prinzessin Ce’Nedra, Juwel des Hauses Borune und lieblichste Blume des tolnedrischen Kaiserreichs, saß mit gekreuzten Beinen auf einer Seekiste in der eichegetäfelten Kabine im Heck von Kapitän Greldiks Schiff, kaute nachdenklich auf einer Strähne ihres kupferroten Haares und beobachtete die Dame Polgara, die sich um den gebrochenen Arm Belgaraths des Zauberers kümmerte. Die Prinzessin trug eine kurze, blaßgrüne Dryadentunika. Auf ihrer rechten Wange saß ein Ascheflöckchen. Vom Deck über sich konnte sie das rhythmische Schlagen der Trommel hören, die die Schläge für Greldiks Ruderer angab, während sie stromaufwärts aus der ascheverhangenen Stadt Sthiss Tor ruderten.
Alles war absolut gräßlich, entschied sie. Was lediglich als weiterer Zug in dem endlosen Spiel um Autorität und Auflehnung begonnen hatte, das sie mit ihrem Vater, dem Kaiser, schon spielte, solange sie sich zurückerinnern konnte, war nun tödlicher Ernst geworden. Sie hatte nie beabsichtigt, die Dinge so weit zu treiben, als sie mit Meister Jeebers in der Nacht vor so vielen Wochen aus dem Kaiserpalast in Tol Honeth geschlichen war. Jeebers hatte sie schon bald darauf verlassen – er war sowieso nur kurzfristig von Nutzen gewesen –, und jetzt war sie an diese seltsame Gruppe von grimmig dreinschauenden Leuten aus dem Norden gefesselt, auf einer Suche, die sie nicht im geringsten verstand. Die Dame Polgara, deren Name allein der Prinzessin schon einen Schauer verursachte, hatte sie im Wald der Dryaden ziemlich barsch davon in Kenntnis gesetzt, daß das Spiel vorüber sei und daß keine Ausflüchte, Schmeicheleien oder Überredungskünste etwas an der Tatsache ändern könnten, daß sie, Prinzessin Ce’Nedra, an ihrem sechzehnten Geburtstag in der Halle des Rivanischen Königs stehen würde – wenn nötig, in Ketten.
Ce’Nedra wußte mit absoluter Gewißheit, daß die Dame Polgara dies auch genauso meinte, und sie sah sich schon vorwärts geschleppt, mit klirrenden Ketten, um in völliger Demütigung in dieser düsteren Halle zu stehen, während Hunderte bärtiger Alorner über sie lachten. Das mußte sie um jeden Preis vermeiden. Und so war es gekommen, daß sie diese Leute begleitete vielleicht nicht ganz freiwillig, aber sich auch nie offen auflehnend. Das stählerne Funkeln in den Augen der Dame Polgara mahnte sie ständig an Handschellen und rasselnde Ketten, und diese Mahnung rang der Prinzessin weit mehr Gehorsam ab als alle Kaiserliche Macht ihres Vaters es jemals vermocht hatte.
Ce’Nedra hatte nur eine undeutliche Ahnung von dem, was diese Leute eigentlich taten. Sie schienen irgend jemandem oder irgend etwas zu folgen, und die Spur hatte hierher in die schlangenverseuchten Sümpfe Nyissas geführt. Irgendwie schienen auch Murgos darin verwickelt zu sein, die ihnen furchteinflößende Hindernisse in den Weg legten, und Königin Salmissra interessierte sich auch so sehr dafür, daß sie sogar soweit gegangen war, den jungen Garion zu entführen.
Ce’Nedra unterbrach ihre Grübelei, um den Jungen auf der anderen Seite der Kabine zu betrachten. Warum wollte
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