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Spiel der Schatten (German Edition)

Spiel der Schatten (German Edition)

Titel: Spiel der Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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sehen bekommen?«
    Die Männer blieben stehen. Einer von ihnen, ein grobschlächtiger Hüne, dessen gerötete Nase davon zeugte, dass er dem Gin schon reichlich zugesprochen hatte, trat mit einem breiten Grinsen im Gesicht vor. »Nein, das glaube ich nicht«, bestätigte er mit vom Alkohol schwerer Zunge und starkem irischem Akzent.
    »Genau, Shamus, zeig’s ihm«, raunte einer seiner Kumpane ihm zu, der ein Landsmann zu sein schien. Vermutlich arbeiteten sie unten an den Docks, wo viele Iren beschäftigt waren.
    »Wissen Sie, Sir«, fuhr der erste gedehnt fort, »ich habe schon so ziemlich alles gesehen, was es in Schaubuden zu sehen gibt – Schlangenfrauen, siamesische Zwillinge, Zwergmenschen und sogar solche, die angeblich keinen Kopf haben. Allerhand kurioses Zeug – aber ganz bestimmt keine Wunder.«
    »Sie denken, dass dies nichts weiter als eine Schaubude wäre?«, fragte der Ausrufer lauernd von seinem Podest herab, mit einer effektheischenden Geste auf das Theater deutend. Das Gesicht mit dem schwarzen Schnauzbart dehnte sich zu einem Lächeln. »Sie denken, in diesem Hause würden nur geschmacklose Absonderlichkeiten geboten?«
    »Nun ja, Sir«, meinte der Ire, »wenn Sie die Dinge so beim Namen nennen, dann fürchte ich, dass ich genau das vermute.« Seine Kumpane klopften ihm ebenso anerkennend wie ermunternd auf die Schulter – doch der Ausrufer ließ sich davon nicht beeindrucken.
    »Weit gefehlt!«, rief er mit belehrend erhobenem Zeigefinger. »Was Professor Caligore der staunenden Welt präsentiert, ist ein wirkliches Wunder, ein echtes Mysterium!«
    »Klar – und ich bin die Königin von England«, konterte der andere, und er und seine Freunde lachten.
    »Sie glauben mir noch immer nicht?« In den Augen des Ausrufers blitzte es. »Dann überzeugen Sie sich selbst, werter Herr! Gehen Sie ins Caligorium! Lösen Sie eine Karte und lernen Sie zu staunen – ich verspreche Ihnen, dass Sie Ihr Eintrittsgeld in voller Höhe erstattet bekommen, sollten Sie von den dargebotenen Wundern nicht absolut überzeugt sein!«
    »Ist das Ihr Ernst?«
    »Mein voller Ernst.« Der Ausrufer sprang von seinem Podest herab und streckte herausfordernd seine Rechte vor. »Meine Hand darauf, mein unbelehrbarer irischer Freund. Wenn Sie nach der Vorstellung Ihr Eintrittsgeld zurückverlangen, so sollen Sie es bekommen. Aber ich versichere Ihnen, dass Sie von dem, was Sie zu sehen bekommen, so gefangen, so fasziniert sein werden, dass Sie bedauern werden, nicht das Fünffache an Eintritt dafür entrichtet zu haben.«
    »Hoho!«, machte der Ire. »Sie nehmen den Mund reichlich voll, werter Herr!«
    »Gilt der Handel?« Der Ausrufer hielt ihm noch immer die Hand hin.
    »Er gilt.« Unter dem Beifall seiner Kumpane schlug der andere ein.
    »Also ist es besiegelt«, bestätigte der Ausrufer, und sein Blick wurde für einen Augenblick so stechend, so durchdringend, dass das überlegene Grinsen aus dem Gesicht des Betrunkenen verschwand.
    »I-in Ordnung, Sir«, stammelte er nur.
    Der Ausrufer nickte und kehrte dann mit einer eleganten Drehung auf sein Podest zurück. Indem er den Stock in seiner Hand wirbeln ließ, zog er die Aufmerksamkeit sowohl der Wartenden als auch der Passanten wieder auf sich.
    »Niemand kann beschreiben, niemand sagen, was im Inneren dieses Theaters vor sich geht. Man muss es mit eigenen Augen gesehen haben. Es ist ein Wunder, es ist Magie! Es ist – das Caligorium!«, behauptete er mit lauter, eindringlicher Stimme, und keiner der Menschen, die vor dem Theater warteten und Einlass begehrten, nahm die dunklen Schatten wahr, die im Schein der Gaslaternen durch den dichten Nebel huschten.

2
    SCHLECHTE ZEITEN
    »Wenn wir Schatten euch beleidigt,
    O so glaubt – und wohl verteidigt
    Sind wir dann! –, Ihr alle schier
    Habet nur geschlummert hier
    Und geschaut in Nachtgesichten
    Eures eignen Hirnes Dichten.
    Wollt ihr diesen Kindertand,
    Der wie leere Träume schwand,
    Liebe Herrn, nicht gar verschmähn,
    Sollt ihr bald was Bessres sehn.
    Wenn wir bösem Schlangenzischen
    Unverdienter Weis’ entwischen,
    So ist es Puck, der lust’ge Geist,
    Der Euch seinen Dank erweist.
    Ist ein Schelm zu heißen willig,
    Wenn dies nicht geschieht, wie billig.
    Nun gute Nacht! Das Spiel zu enden,
    Begrüßt uns mit gewognen Händen!« *
    Die Aufforderung verhallte ungehört.
    Bleierne Stille herrschte im Zuschauerraum des kleinen Theaters an der Holywell Lane. Als der Vorhang nach einem schier endlos scheinenden

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