Spiel der Schatten (German Edition)
du?«, fragte sie sanft. »Hast du deinen Frieden gefunden.«
»Ja«, antwortete er leise.
Dann beugte er sich vor und küsste sie.
EPILOG
Vier Wochen später
»Wenn wir Schatten euch beleidigt,
O so glaubt – und wohl verteidigt
Sind wir dann! –, Ihr alle schier
Habet nur geschlummert hier
Und geschaut in Nachtgesichten
Eures eignen Hirnes Dichten.
Wollt ihr diesen Kindertand,
Der wie leere Träume schwand,
Liebe Herrn, nicht gar verschmähn,
Sollt ihr bald was Bessres sehn.
Wenn wir bösem Schlangenzischen
Unverdienter Weis’ entwischen,
So ist es Puck, der lust’ge Geist,
Der Euch seinen Dank erweist.
Ist ein Schelm zu heißen willig,
Wenn dies nicht geschieht, wie billig.
Nun gute Nacht! Das Spiel zu enden,
Begrüßt uns mit gewognen Händen!« *
Der Puck beendete seinen Schlussmonolog. Der Vorhang fiel, und die Bühne versank in schummrigem Halbdunkel.
Augenblicke lang standen sie dort und lauschten in die Stille, die jenseits des nagelneuen Samts herrschte.
Horace Pence, der einmal mehr den Oberon gespielt und dem Puck seine Stimme geliehen hatte; Milo, der in der Rolle des Demetrius zum allerersten Mal in seinem Leben auf einer Bühne gestanden und seine Sache mehr als gut gemacht hatte; und Cyn, die ihr Glück nicht fassen konnte, nach all den Widrigkeiten wieder das Kleid ihrer Mutter zu tragen und den Part der Helena zu spielen.
Die Sekunden erschienen den dreien wie Ewigkeiten.
Unruhig wechselten sie Blicke, Cyn und Milo fassten einander bei den Händen, während sie auf eine Reaktion der Zuschauer warteten – und sie kam.
Tosender Applaus brandete jenseits des Vorhangs auf, und als Albert an den Seilen zog und der Samt sich wieder hob, blickten Cyn, Milo und der alte Horace auf einen bis zum letzten Platz gefüllten Zuschauerraum und ein Publikum, das begeistert Beifall spendete.
Da nach Begleichung der Schulden noch eine ganze Menge Geld übrig gewesen war, präsentierte sich das Penny Theatre in neuem Glanz: Die Wände waren frisch gestrichen, die Dekorationen ausgebessert und die Bänke neu bezogen worden – und nun, da das Caligorium am Finsbury Circus nicht länger existierte, strömten die Menschen wie in den alten Tagen in Massen in das Puppentheater an der Holywell Lane.
Die Premierenvorstellung im neu renovierten Penny Theatre war bis auf den letzten Platz ausverkauft gewesen, und zum ersten Mal nach undenklich langer Zeit durften Cyn und ihre Freunde wieder die Ovationen der Zuschauer entgegennehmen. Immer wieder hob und senkte sich der Vorhang, und alle kamen sie auf die Bühne, auch Lucy, Hank und Nancy, die die Marionetten von Titania, Hermia, Lysander, dem eselsköpfigen Peter Squenz und all den anderen illustren Gestalten aus Shakespeares »Sommernachtstraum« gespielt hatten. Nur Albert blieb hinter den Kulissen – er war schließlich dafür zuständig, den Vorhang zu bedienen.
Wann immer der schwere Samt sich senkte, fielen Cyn und ihre Freunde einander in die Arme und beglückwünschten sich gegenseitig, überglücklich darüber, dass die dunklen Zeiten überwunden waren. Und nicht genug damit, dass sie ihr altes Leben zurückhatten, hatten sie auch noch ein neues Familienmitglied hinzugewonnen.
Nachdem er ohne Obdach war, hatte Cyns Vater Milo vorgeschlagen, bei ihnen zu bleiben, und obwohl Milo zunächst gezögert hatte, hatte er zu Cyns höchster Freude schließlich eingewilligt – und soweit sie es beurteilen konnte, hatte der Junge, der einst der Schatten des Puck gewesen war, durchaus Talent für die Bühne. Jedenfalls fand sie, dass er in der griechischen Tunika, die er als Demetrius trug, und mit dem schwarzen, von Lorbeer bekränzten Haar geradezu umwerfend aussah, und das gab sie ihm zwischen zwei Vorhängen mit einem liebevollen Lächeln zu verstehen.
Irgendwann senkte sich der Samt zum letzten Mal. Der Applaus ebbte ab, und die Zuschauer traten ihren Heimweg an. Gerade wollten Cyn, Milo und der alte Horace die Bühne verlassen, als ihnen Albert entgegentrat.
»Horace, da ist jemand, der dich unbedingt sprechen will«, berichtete er aufgeregt.
»Wer ist es?«, fragte Cyns Vater und nahm den langen Bart ab, den er als Oberon getragen hatte. »Jemand von der Presse?«
»Glaub ich nicht. Der Mann ist Franzose und heißt Louis Le Prince. Er sagt, er hätte eine Erfindung gemacht, die für ein Theater wie dieses von großem Interesse wäre.«
»Was ist es denn?«, fragte Cyn ausgelassen.
»Es geht doch nicht etwa um Schattenspiele?«,
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