Spiel mit dem Feuer - Viehl, L: Spiel mit dem Feuer
Sie las das Namensschild an seiner Jacke: MCCARTHY . So hieß auch einer von Corts leitenden Brandermittlern. Zur Feuerwehr zu gehen lag oft genauso in der Familie wie Polizist zu werden. »Sind Sie verwandt mit Gil McCarthy?«
»Mein Dad.« Er betrachtete sie argwöhnisch. »Was kann ich für Sie tun, Ma’am?«
»Zunächst mal aufhören, mich Ma’am zu nennen. Ich bin Terri.« Sie ging vor der Leiche, die am weitesten von den Technikern entfernt lag, in die Hocke und lüpfte eine Ecke des Lakens. Das Gesicht des jungen Mannes darunter wies kleinere Verbrennungen und Verletzungen auf, doch seine rot glühende Haut und der Mund und die Nasenlöcher, die schwarz vom Ruß waren, ließen keinen Zweifel an der Todesursache. Seine weit aufgerissenen dunklen Augen trugen den ausdruckslosen, starren Blick des Todes. »Sehen sie alle so aus?«
»Nur fünf davon. Die letzten beiden hier« – er deutete mit dem Kopf zum anderen Ende der Reihe – »sind ziemlich schlimm verbrannt.«
Terri hörte ein reißendes Geräusch, dann ein Plätschern und das leise Fluchen eines der Techniker. Leiche auseinandergerissen. Sie holte ihre Zigaretten heraus und hielt das Päckchen dem jungen Feuerwehrmann hin. »Wollen Sie?«
»Ja.« Er hatte in die Richtung geblickt, aus der das Geräusch gekommen war, und bediente sich mit zitternder Hand.
»Gehen wir da rüber.« Sie ging voran zur Hausecke, wo sie erst seine und dann ihre eigene Zigarette anzündete. »Ich bin Ihrem Dad letzten Sommer am See begegnet. Er ist da mit einem ganz hübschen Aquamaster rumgefahren, und zwar wie eine gesengte Sau. Gehört der ihm, oder hat er ihn gemietet?«
»Er hat ihn gekauft.« Er zog an der Zigarette und blies eine zittrige Rauchwolke aus. »Meine Mom hätte ihn fast umgebracht, aber er hat gesagt, entweder den oder ein Motorrad.«
»Gutes Boot für den Golf. Ich muss ihn mal bearbeiten, dass er mit mir übers Wochenende tauscht.« Sie deutete mit dem Kopf auf ihre Harley.
»Oh Mann.« In seinen Augen flackerte Unternehmungslust auf. »Wie viel Sachen macht die denn?«
»Ich hab sie bisher auf hundertvierzig gebracht, aber bei hundertneunzig ist Ende. Sie läuft auch super leise. Ich hab extra mehr Ablenkplatten in die Schalldämpfer einbauen lassen.« Sie blickte sich beiläufig um und sah, dass die Techniker fertig waren. »Wann haben Sie das nächste Mal frei?«
»Nächstes Wochenende.«
Sie zog eine eselsohrige Visitenkarte raus und schrieb eine Adresse auf die Rückseite. »Das ist mein Haus am See, falls Sie und Ihr Dad es mal benutzen wollen.« Sie reichte ihm die Karte. »Schlüssel liegt unter dem Geranientopf.«
Er wirkte etwas unsicher. »Sind Sie sicher, Detective?«
»Sagen Sie Gil nur, er soll das Bier wieder auffüllen.« Ihre Blicke begegneten sich. »Manchmal muss man einfach mal raus. Macht den Kopf frei.«
»Ja.« Er umklammerte die Karte fest mit der Hand. »Danke.«
Terri ließ ihn weiter Wache stehen und ging wieder zu den Leichen zurück. Nachdem sie sich mit den Gerichtsmedizinern abgesprochen hatte, zog sie den Reißverschluss des ersten Leichensacks auf und suchte behutsam den Körper ab. Der Inhalt der verkohlten Brieftasche des Opfers war noch lesbar, und sie notierte sich Namen und Adresse, bevor sie die Brieftasche wieder dahin zurücksteckte, wo sie sie gefunden hatte, und zum nächsten Leichnam ging.
Die Konfrontation mit einem brutalen und frühzeitigen Tod gehörte zu Terris Arbeit, aber gewöhnen konnte sie sich niemals daran. Sollte das eines Tages geschehen, würde sie den Dienst quittieren.
Drei weitere Opfer wurden in die Seitenstraße hinausgetragen, während Terri sich die Reihe entlangarbeitete. Das Maskers hatte viel Jungvolk angelockt – die meisten Opfer waren kaum Mitte zwanzig. Zwei der weniger verbrannten Mädchen trugen Bauchtaschen mit gefälschten Führerscheinen: Sie sahen so jung aus, dass sie vielleicht gerade mal Teenager waren. Sechs hatten keinen Ausweis bei sich, und vier andere waren so stark verkohlt, dass Terri nicht mal mehr ihre Gesichtszüge erkennen konnte.
Sie zog den letzten Reißverschluss auf und streckte sich, um einen Moment durchzuatmen. Sie war seit sieben Jahren beim Morddezernat, und sie hatte noch nie so viele Tote auf einmal gesehen. Diese Menge war irgendwie erdrückend. Vor allem jetzt, wo sie die Namen der meisten kannte und wusste, wo sie gewohnt hatten und was für Fotos sie bei sich trugen. Mindestens drei der Männer waren Väter von kleinen Kindern
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