Spiel mit dem Feuer - Viehl, L: Spiel mit dem Feuer
Anhaltspunkte, abgesehen von der hohen Opferzahl und der Schnelligkeit, mit der das Gebäude abgebrannt war. Was auch immer das Feuer ausgelöst hatte, es war schnell, stark und wirkungsvoll gewesen. Nach der Verteilung der Fensterglasscherben und anderen äußeren Schäden zu urteilen, hatte die Kneipe nicht einfach bloß Feuer gefangen.
Etwas war innerhalb des Gebäudes detoniert.
Es gab nur einen aktiven Brandstifter in New Orleans, dem er diesen Job zutraute, und den verfolgte Cort schon seit Monaten. Wenn das Maskers das Werk des Torchers war, war er fällig. Mit Mord in fünfzehn Fällen hatte er sich einen Aufenthalt in Angola, dem größten Hochsicherheitsgefängnis der USA , verdient und, wenn seine Rechtsmittel ausgeschöpft waren, eine tödliche Injektion.
Sein Handy klingelte, und er meldete sich. »Gamble.«
»Du bist gestern Nacht nicht zu Hause gewesen«, sagte ein Mann mit starkem französischem Akzent. »Deine Mutter sieht dich im Fernsehen. Sie ruft mich an. Sie ist sauer auf dich. Und ich soll jetzt mit dir schimpfen.«
Als er die Stimme seines Vaters hörte, ließ Cort sich in seinen Stuhl sinken. »Ich bin keine fünfzehn mehr, Dad.«
»Wenn ich ihr das sage, schimpft sie mit mir .«
»Ich habe eine Flasche Maison Surrenne. «
Es gab nichts, was Louis Gamble mehr liebte als französischen Cognac, außer vielleicht noch einer guten Zigarre dazu. »Sechsundvierziger?«
»Sechsundvierziger.«
»Na gut, genug geschimpft.« Seine Stimme wechselte von forsch zu sanftmütig.
»War keine gute Nacht, was? Ich bring dir was zum Mittagessen.«
Louis Gamble gehörte das Krewe of Louis , das berühmteste französisch-kreolische Restaurant von New Orleans. Er war außerdem der beste Koch in der Stadt, und Essen war sein Allheilmittel.
»Nein danke, Dad. Da bin ich nicht mehr hier.« Cort lehnte sich in seinem Stuhl zurück und rieb sich die Augen. Dass er während der Suche nach einer neuen Wohnung vorübergehend zu seinen Eltern gezogen war, war zwar sehr bequem gewesen, dass sie sich – in ihrem Alter – Sorgen um ihn machen mussten, war hingegen gar nicht in Ordnung. Er musste die Suche vorantreiben und so bald wie möglich wieder ausziehen. »Tut mir leid, dass ich nicht angerufen habe.«
»Deine Mutter wird einen Aufstand proben wollen, wenn du nach Hause kommst. Und du wirst sie lassen.«
Seine Mundwinkel hoben sich. »Ich werde sie lassen.«
» Lâche pas la patate, mon fils. «
Lass die Kartoffel nicht fallen. Ein Sprichwort der Cajun, das so viel bedeutete wie Gib nicht auf . Louis hatte es von Sable übernommen, J. D.s frisch angetrauter Ehefrau. Cort hatte den Verdacht, dass die Vorliebe für Sumpf-Slang, die sein Vater neuerdings hegte, einerseits eine Sympathiebekundung für seine neue Schwiegertochter und andererseits einen kleinen Seitenhieb gegen Corts Mutter darstellte.
» Oui, père. « Er beendete das Gespräch und trank den lauwarmen Kaffee aus, bevor er einen Blick in seine oberste Schreibtischschublade warf. Er wollte den unbeschrifteten, unverschlossenen Umschlag, der sich unter seinem Papiervorrat verbarg, eigentlich nicht rausholen. Das wollte er nie.
Und doch öffnete Cort die Schublade, hob den Papierstapel an und zog den Briefumschlag hervor, wie er es seit Mardi Gras fast jeden Tag getan hatte. Er drehte ihn in den Händen und wünschte sich, er könnte ihn einfach in den Papierkorb neben seinem Schreibtisch werfen. Und wusste, dass er das niemals tun würde.
Cort öffnete die Lasche und nahm drei Fotos heraus. Sie waren vor zehn Jahren bei der Abschlussfeier seines jüngeren Bruders an der Polizeiakademie gemacht worden.
Das erste zeigte eine jüngere Version von J. D. in seiner Polizeiuniform, der seinen Arm um Terri Vincent legte. Damals war sie schon genauso groß und dünn gewesen, hatte aber ihr dunkles Haar zu einem langen Pferdeschwanz zusammengenommen. Der Einzige, der lächelte, war J. D.
Terri dagegen hatte die Kamera angesehen – oder vielmehr Cort, der die Kamera hielt – wie einen Junkie mit einem Messer in der Hand, dem sie in einer dunklen Gasse begegnet war.
Wenn Cort jetzt zurückdachte, musste er zugeben, dass sie womöglich recht gehabt hatte. Er war an jenem Tag alles andere als freundlich zu ihr gewesen. Zwar höflich, aber die Feindseligkeit auf den ersten Blick war unübersehbar gewesen und hatte auf Gegenseitigkeit beruht.
Um ehrlich zu sein, hatte er sie an diesem Tag wie einen bewaffneten Drogensüchtigen behandelt.
Natürlich
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