Spiel - Sprache des Herzens
den Märchen schöpft es viel gröÃere Zuversicht als aus einem Tröstungsversuch auf Grundlage der Argumente und Gesichtspunkte der Erwachsenen. Das
Kind traut dem, was das Märchen erzählt, weil dessen Weltsicht mit der seinen übereinstimmt. Darum ist es nötig, dass wir dem Kind Märchen erzählen. Es braucht Märchengestalten, damit es sieht, dass es nicht alleine dasteht mit seiner Weltanschauung.
Kinder wundern sich nicht im Geringsten, wenn der Wind im Märchen sprechen kann und er den Helden an seinen Bestimmungsort trägt. Im Märchen ist es an der Tagesordnung, dass Tiere die Sprache der Menschen sprechen, Helden und Heldinnen auf ihrer Reise begleiten und helfen in der Not. Hexen und Zauberer verwandeln Tiere in Menschen und Menschen in Tiere. Das Kind ist auch nicht erstaunt, wenn sich im Märchen ein Mensch in einen Stein verwandelt oder ein Stein als Mensch lebendig wird.
Alle Märchenfiguren sind Aspekte unserer selbst. Der König hat im Märchen keine gesellschaftlichen Funktionen, sondern ist das Urbild einer weisen, selbstständigen Persönlichkeit. In jedem von uns lebt ein König, aber auch dunkle Gestalten wie Hexen, Drachen, böse Riesen und Zauberer. Sie verkörpern die Schattenseiten von uns. Märchen helfen, diese Gestalten in uns bewusst zu machen und mit ihnen umzugehen.
Weil Kinder Verwandlungen lieben, kommen ihnen die ständigen Wandlungen in den Märchen sehr gelegen. Der Schweinehirt wird zum König, Aschenputtel zur Prinzessin und der Frosch zum Prinzen. Für das Empfinden eines Kindes ist es normal, dass ein Mensch verschiedene Gesichter haben kann. Diese unterschiedlichen Wesenszüge ordnet es im Spiel verschiedenen Gestalten zu. Da Mütter nicht immer lieb sind, können sie sich auch in Hexen oder Stiefmütter verwandeln.
Wissenswertes für die Erzählpraxis
Märchenerzähler kommen ursprünglich aus dem Orient. Heute wächst das Bedürfnis nach Märchenerzählerinnen und -erzählern auch bei uns. Wer Lust hat, kann sich sogar zum Märchenerzähler ausbilden lassen. Und jeder Märchenerzähler bestätigt: Märchen frei und lebendig erzählt wirken viel stärker als »trocken« vorgelesene Texte!
Märchen waren ursprünglich Unterhaltung und Lebenshilfe für Erwachsene. Darum eignen sich nicht alle Märchen für jüngere Kinder. Wir wählen nur Märchen aus, die altersgemäà zu den Kleinen passen und ihrem Entwicklungsstand entsprechen. Wir erzählen nur Geschichten, die wir selber gerne mögen, die uns mit ihren Werten und Motiven ansprechen und die wir von Herzen, freudig und mit Ãberzeugung weitergeben können!
So werden Märchen lebendiger
Damit Märchen und Geschichten für Kinder lebendig erlebbar werden, sollten sie einen Bezug zu ihrem alltäglichen Leben und ihren Fragen haben. Dadurch werden Kinder berührt und verstehen den Inhalt und die symbolische Aussage besser. Es ist hilfreich, wenn Erwachsene Kindern vorweg zum ausgewählten Märchen passende Anregungen geben. Das können Spielsituation, Tätigkeiten oder Materialien sein. Kinder verstehen und begreifen einzelne Figuren und Tätigkeiten im Märchen besser, wenn sie diese schon vorher im Spiel erleben können. Die Kinder gehen auf Schatzsuche, nähen pantomimisch Kleider, poltern wie die Riesen, bauen Schlösser oder Zwergenhöhlen.
Kinder erleben später beim Zuhören mit groÃer Freude den Effekt des Wiedererkennens. Denn sie haben ja vorher
Tätigkeiten und Figuren mit allen Sinnen im Spiel erlebt. »Der polternde Riese« beispielsweise ist jetzt nicht nur eine leere Worthülse, sondern eine lebendig gefühlte Figur.
»Spieglein, Spieglein an der Wand«
Kinder wollen, dass wir ihnen die Märchen immer wieder im gleichen Wortlaut erzählen. Weichen wir ab, korrigieren sie uns. Kinder brauchen die Wiederholung, denn das schon Bekannte gibt Sicherheit. Sie warten gespannt auf jeden Schlüsselsatz wie etwa: »Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?« oder »Ach wie gut, dass niemand weiÃ, dass ich Rumpelstilzchen heië. Diese Sätze prägen sich ein. Kinder lernen sie schnell auswendig.
Märchen immer von Anfang bis Ende erzählen
Märchen dürfen nicht zu lange unterbrochen werden, weil die Spannung für die Kinder sonst zu groà wird. Im
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