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Spin

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Titel: Spin Kostenlos Bücher Online Lesen
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Vergangenheit; eine militärische Aufrüstung war so gesehen vielleicht gar keine schlechte Idee.
    »Wenn man glaubt, was Lomax sagt.«
    »Tust du das nicht?«
    »Ich fürchte, das kann ich mir nicht leisten.«
    Mit dieser enigmatischen Aussage ging ich zu Bett.
    Am nächsten Morgen verabreichte ich ihm die erste Injektion. Jason legte sich im Wohnzimmer auf ein Sofa. Er trug Jeans und ein Baumwollhemd, wirkte aristokratisch, aber leger, hinfällig, aber entspannt. Falls er Angst hatte, ließ er sich davon nichts anmerken. Er rollte seinen rechten Ärmel auf und legte die Ellenbeuge frei.
    Ich nahm eine Spritze aus meinem Arztkoffer, befestigte eine sterile Nadel daran und füllte sie mit der klaren Flüssigkeit aus einer der Phiolen. Wun hatte den Vorgang mit mir geprobt. Die Regularien des Vierten Alters. Auf dem Mars hätte es ein stilles Zeremoniell in einer beruhigenden Umgebung gegeben – hier mussten wir mit dem Licht der Novembersonne und dem Ticken teurer Uhren vorlieb nehmen.
    Ich tupfte die Haut ab, bevor ich die Spritze ansetzte. »Du brauchst nicht hinzusehen.«
    »Ich möchte aber. Zeig mir, wie es geht.«
    Er hatte immer schon, bei allem, wissen wollen, wie es geht.
    Die Injektion zeitigte keine unmittelbare Wirkung, doch um die Mittagszeit des folgenden Tages hatte Jason ein leichtes Fieber entwickelt. Es sei nicht schlimmer als eine Erkältung, sagte er, und am Nachmittag forderte er mich auf, mein Fieberthermometer und meine Blutdruckmanschette zu nehmen und – nun ja, damit sonstwohin zu gehen.
    Also schlug ich meinen Kragen gegen den Regen hoch – ein nieselnder, hartnäckiger Regen, der in der Nacht begonnen hatte und schon den ganzen Tag andauerte – und ging noch einmal über den Rasen zum Haus meiner Mutter, wo ich ANDENKEN (AUSBILDUNG) aus dem Keller holte und hinauf ins Wohnzimmer trug.
    Regentrübes Licht kam durch die Vorhänge. Ich machte eine Lampe an.
    Meine Mutter war im Alter von sechsundfünfzig Jahren gestorben. Achtzehn Jahre lang hatte ich hier mit ihr gewohnt. Das war etwas mehr als ein Drittel ihres Lebens. Von den übrigen zwei Dritteln hatte ich nur das gesehen, was sie gewillt war mir zu zeigen. Von Bingham, ihrer Heimatstadt, hatte sie hin und wieder erzählt – ich wusste, dass sie mit ihrem Vater (einem Immobilienmakler) und ihrer Stiefmutter (die in einer Altentagesstätte arbeitete) in einem Haus am oberen Ende einer abschüssigen, von Bäumen gesäumten Straße gewohnt hatte; dass sie als Kind eine Freundin namens Monica Lee gehabt hatte; dass es dort eine überdachte Brücke gegeben hatte, einen Fluss namens Little Wyecliff und eine presbyterianische Kirche, die sie nicht mehr besucht hatte, seit sie sechzehn war, und in die sie erst zur Beerdigung ihrer Eltern zurückgekehrt war. Doch sie hatte nie von Berkeley gesprochen oder davon, was sie mit ihrem MBA anzustellen gehofft, oder warum sie meinen Vater geheiratet hatte.
    Ein- oder zweimal hatte sie diese Kartons vom Regal geholt, um mir den Inhalt zu zeigen, mich davon zu überzeugen, dass sie – unfassbar – schon ein Leben geführt hatte, bevor ich auf der Welt war. Dies war der Beweis dafür, Beweisstücke A, B und C, drei Kartons mit ANDENKEN und KRIMSKRAMS. Darunter zusammengefaltete Zeugnisse echter, belegbarer Geschichte: toffeebraune Zeitungstitelseiten, die von Terroranschlägen, Kriegsausbrüchen, gewählten oder angeklagten Präsidenten kündeten. Hier fand sich auch der Tand, den ich als Kind gern in der Hand gehalten hatte: ein angelaufenes Fünfzig-Cent-Stück, geprägt im Geburtsjahr ihres Vaters (1951), vier braune und rosa Muscheln vom Strand in Cobscook Bay.
    ANDENKEN (AUSBILDUNG) war für mich die unattraktivste Schachtel gewesen. Sie enthielt die Wahlkampfplakette eines offensichtlich erfolglosen demokratischen Kandidaten für irgendein hohes Amt, die ich ihrer Buntheit wegen geschätzt hatte, aber ansonsten gab es dort nur Mutters Abgangszeugnis, ein paar aus ihrem letzten Jahrbuch herausgerissene Seiten und ein Bündel von kleinen Umschlägen, für die ich mich nie interessiert hatte – oder hätte interessieren dürfen.
    Jetzt öffnete ich einen dieser Umschläge und überflog den Inhalt so weit, dass ich registrieren konnte: a) es war ein Liebesbrief und b) die Handschrift glich in keiner Weise der ordentlichen Schrift meines Vaters in den ellenlangen Briefen aus ANDENKEN (MARCUS).
    Hatte meine Mutter einen Collegeverehrer gehabt? Das war eine Neuigkeit, die Marcus Dupree hätte

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