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Spinnefeind

Spinnefeind

Titel: Spinnefeind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederike Schmöe
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fadenscheinigen Beschuldigungen fertigzumachen. Ich fahre heute Nachmittag zu Jens. Sie müssen ihn rauslassen, wenigstens gegen Kaution.« Sie legte einen Zwanziger auf den Tisch und winkte der Bedienung. Mit dem Kinn wies sie auf das Gebäude der Theologischen Fakultät an der Frontseite des Platzes. »Die ziehen auch bald den Stecker raus«, sagte sie und nahm das Wechselgeld entgegen.
    »Ist das schon durch?«, fragte Katinka.
    Ljubov zuckte die Achseln.
    »Bei zehn Studenten pro Semester, maximal? Wer braucht dafür eine ganze Fakultät?«
    »Woher weißt du das alles?«, erkundigte sich Katinka.
    Ljubov stand auf.
    »Ich habe eine Rechnung mit denen offen«, sagte sie grimmig, während ihre Augen zum Fakultätsgebäude wiesen. »Es kann nie schaden, auf den Tag der Rache zu warten, geduldig wie ein Dachs in seinem Bau. Mach’s gut.« Sie winkte und ging davon, betrat den Innenhof der Uni und war aus Katinkas Blickfeld verschwunden.

4. CAYRRLQFOWPK
    »Deine Freunde nennen dich Valente?«, fragte Katinka.
    Der Junge neben ihr zog an seiner Zigarette und knurrte etwas. Sie saßen auf der Bank an der Schleuse 100 und blickten über das Wasser.
    »Sie dürfen auf keinen Fall bei mir zu Hause anrufen«, sagte Valentin Kazulé. »Mein Vater braucht das nicht mitzukriegen.« Er betrachtete seine Zehen, die aus den klobigen Trekking-Sandalen herausragten. Die Angst drang ihm aus allen Poren. Er stand extrem unter Stress.
    »Mich interessiert erst mal nur die Krypto-AG an eurer Schule«, sagte Katinka und hielt ihm eine Papiertüte mit Gummisauriern hin, die sie jeden Sommer in Großmarktmengen auf dem ›Wilde-Rose-Keller‹ kaufte. Er nahm einen grünen und kaute.
    »Was macht ihr in der Kryptoanalyse, Valente?«
    Die Anrede mit seinem Spitznamen lockerte ihn. Er grinste schief und sagte:
    »Kennen Sie sich mit Codes aus?« Er warf die Kippe weg.
    »Nein.« Katinka ließ den Blick schweifen, damit Valente ihre Ungeduld nicht allzu deutlich bemerkte. Von Westen trieben Wolken über die Domtürme. Es war sehr schwül. Die Stadt dü rstete nach Regen.
    »Falk bringt uns bei, wie man Nachrichten verschlüsselt und entschlüsselt. Hauptsächlich lernen wir, die Codes zu knacken. Deswegen Kryptoanalyse.«
    »Woran übt ihr?«
    »Am Anfang haben wir jeder mit einem eigenen Geheimtextalphabet Texte chiffriert, sie einem Kumpel gegeben, und der musste entschlüsseln. Man kann solche simplen Codierungen ganz gut knacken, wenn man die Häufigkeitsanalyse anwendet.« Er sah Katinka von der Seite an.
    »Mach weiter«, sagte Katinka, zog die Beine an und lutschte an einem Saurier.
    »Es gibt im Deutschen Buchstaben, die häufiger vorkommen als andere, und bestimmte Buchstabenkombinationen, die auch oft zusammen vorkommen. Das sind die Ansatzpunkte. Zum Beispiel die . Oder ung wie in Einladung . Wenn man also drei Geheimtextbuchstaben hat, die immer wieder gemeinsam auftreten, dann kann man gewisse Rückschlüsse ziehen. Ein Typ namens Al-Kind ī hat die Häufigkeitsanalyse ›erfunden‹. Im neunten Jahrhundert.« Gedankenverloren langte Valente in die Sauriertüte. »Damit hatten die Kryptografen verloren. Die einfachen Substitutionscodes brachten nichts mehr, sie waren immer zu knacken. Obwohl clevere Leute tricksten, den Klartext absichtlich orthografisch falsch schrieben oder Zeichen einbauten, die nichts bedeuteten, sogenannte Nieten. Über kurz oder lang wurden die Codes trotzdem entschlüsselt. Julius Cäsar hatte auch eine Geheimschrift. Er verschob die Buchstaben im Alphabet um genau zwei St ellen.« Valentin musste Atem holen. »Statt Caesar schrieb er ECGUCT. Nicht sehr schlau, denn mit ein bisschen Ausprobieren kriegt man den Klartext sofort raus. Der Algorithmus ist zu statisch.«
    »Und jetzt?«, fragte Katinka.
    »Bis ins 16. Jahrhundert gab es keine besseren Codes«, erläuterte Valente. »Erst Blaise de Vigenère hat etwas Neues, Grandioses erfunden.« Die Begeisterung hatte seinen Körper erfasst, seine Wangen röteten sich. »De Vigenère fand es schlüssig, einen Klartext nicht mehr monoalphabetisch zu verschlüsseln, also mit nur einem Geheimtextalphabet, sondern mit vielen. Genauer gesagt mit 26.«
    »Moment«, sagte Katinka. »Warum ausgerechnet 26?«
    » Möglich wären auch drei oder 100. Aber 26 Buchstaben hat das latei nische Alphabet.«
    »Und?«, fragte Katinka.
    »Wir haben das Klartextalphabet a bis z. Dann die Geheimtextalphabete. Die schreiben wir als Zeilen darunter. Im ersten Geheimtextalphabet

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