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Spinnen füttern

Spinnen füttern

Titel: Spinnen füttern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rawi Hage
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Krankenhaus liegt sie denn?
    In der oberen Stadt, sagte er, schüttelte ab, zog den Reißverschluss zu und bat Skippy, irgendeine Frau noch mal nachzumachen.
    Skippy fing sofort an, schrill zu kreischen: Rühren Sie die Coladosen nicht an, was fällt Ihnen eigentlich ein?
    Hey, Fly, sagte Tammer, als ich zum Wagen ging, wie wär’s, wenn du uns ein paar Hamburger ausgibst? Hamburger, wiederholte Skippy.
    Heute nicht, sagte ich. Ich muss arbeiten.
    Am nächsten Tag fuhr ich zum Krankenhaus, um Linda zu besuchen. Skippy stand auf dem Parkplatz, er rauchte und jonglierte mit Kieselsteinen.
    Ist Tammer drinnen?, fragte ich.
    Nee, er kauft gerade Zigaretten.
    Hat er sie schon gesehen?
    Ja.
    Und wie geht es ihr?
    Nicht gut.
    Bist du auch reingegangen?
    Nein.
    Woher kommst du eigentlich?, fragte ich die Wanze.
    Vom Mond, sagte er und lachte. Ich bin ein Mondmensch.
    Hast du die Pistole dabei?
    Er lachte.
    Ist das der Grund, warum du hier draußen wartest?
    Ja, draußen, sagte er und lachte noch immer. Tammer kommt schon. Da kommt er schon.
    Wie geht es deiner Mutter?, fragte ich Tammer, als er auf uns zukam.
    Er antwortete nicht, er blieb auch nicht stehen, sondern lief an mir vorbei. Skippy zockelte hinterher.
    Auf der Straße erzählte man sich, dass die Mädchen Fredao nicht mehr respektierten, weil er Linda so übel zugerichtet hatte, sie rebellierten gegen ihn. Ein anderer Zuhälter hatte bereits Fredaos Ecke besetzt, Fredao selbst war seit Tagen nicht gesehen worden. Das Gerücht kursierte, dass er vor Nostalgie ganz krank geworden und mit einem Koffer voll Bargeld nach Angola zurückgeflogen sei.
    Ich ging zu Linda. Sie hatte keinen einzigen Zahn mehr, ihr Kiefer war so zerstört, dass sie kaum mehr sprechen konnte. Ich hatte Mühe zu erraten, was sie mir sagen wollte. Als ich sagte, ich hätte Tammer draußen gesehen, rannen ihr Tränen über die Wangen. Ihr Blick war starr, sie nahm meine Hand und ließ sie lange nicht los.
    Zwei Wochen später würde man am Flussufer Fredaos Leiche finden, er war mit mehreren Kopfschüssen getötet worden. In einer Notiz auf der Panoramaseite war zu lesen, dass ihm ein Bein und beide Arme fehlten, er hatte Bisswunden, offenbar von streunenden Hunden. Allerdings stand da auch was über Messerspuren, über glatt herausgeschnittenes Fleisch.
    Vögel
    Ich fuhr zur Wohnung zurück und sah Zainab, die auf dem Weg zum Bus war. Ich hielt an und rief ihr über die Straße zu. Sie winkte kurz, blieb aber nicht stehen. Ich drehte und fuhr zu ihr. Ich öffnete das Fenster und bat sie einzusteigen. Sie zögerte, öffnete die Tür und setzte sich neben mich. Ich fahr dich zur Uni, sagte ich.
    Sie schwieg. Schließlich sagte sie: Nicht nötig, ich haue ab.
    Nach Hause?
    Wo ist denn zu Hause für uns, Fly? Mein Zuhause wurde gestohlen, die Stadt ist besetzt. Ich ziehe in eine andere Stadt.
    Mit Gina?
    Hast du uns gesehen?
    Ja. Ich hatte keine Ahnung.
    Sie war in Jordanien, auf einer Reise, da haben wir uns verliebt. Ich musste weg. Ich habe ihretwegen alles aufgegeben. Weißt du, so eine Beziehung kann man längst nicht überall leben.
    Aber, Zainab, das liegt an den Religionen, die du immer so verteidigst, die dir so wichtig sind. Ich verstehe dich nicht.
    Fly, es gibt nun mal die Religion, das wird sich nie ändern.
    Werde ich dich irgendwann wiedersehen?, fragte ich.
    Ich glaube nicht, Fly.
    Jetzt fehlt dir auf einmal der Glaube.
    Sie lächelte. Woran glaubst du eigentlich, Fly? Wofür lebst du?
    Woran glauben die Sterne, Zainab? Wohin gehen die Pferde, wenn sie tot sind? Wen verehren die Vögel? Und wonach streben die Flüsse?
    Pass gut auf dich auf, Fly.
    Sie gab mir einen Kuss, stieg aus und verschwand, ich habe sie nie wiedergesehen.

Fünfter Akt

Mord
    Nummer 6 wurde im Bereich der St.-Lucas-Insel erschossen aufgefunden. Seinen Wagen entdeckte man sechs Stunden später. Sein Partner, die Nummer 107, war der Erste, der merkte, dass etwas nicht stimmte. Sie teilten sich den Wagen, fuhren Zwölfstundenschichten, sieben Tage die Woche. Zehn Jahre lang hatten sie sich jeden Morgen um zehn am selben Taxistand getroffen, sie wechselten ein paar Worte und übergaben den Schlüssel, dann fuhr der Nachtfahrer nach Hause, und der Tagfahrer machte sich an die Arbeit. Als Nummer 6 nach der Nachtschicht nicht kam, rief der Partner die Zentrale an, die erfolglos versuchte, ihn zu erreichen. Schließlich rief man die Polizei an.
    Ein Nachtwächter, der den Funkverkehr der Zentrale mitgehört hatte,

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