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Spinnen füttern

Spinnen füttern

Titel: Spinnen füttern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rawi Hage
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drückte ihr eine Puppe in die Hand. Eine Frau spielte ihre Mutter und begleitete sie. Sie fuhren auf eleganten Kreuzfahrtschiffen über die Weltmeere, die gestohlenen Diamanten waren in Mimis Puppe versteckt. Die vorgebliche Mutter gab sich als weißrussische Comtesse aus. Sie nannte sich Contessa Tambbar Kussa und behauptete, aus der Kosakenregion zu stammen. Sie stieß jeden vor den Kopf, genau wie man es erwartete, ihr Französisch klang nach der russischen Literatur des neunzehnten Jahrhunderts, nach Turgenjew und Puschkin. Sie brachte Mimi Benimm und savoir-vivre bei, und Mimi – mit Glockenkleid und lockigem Haar – dankte es ihr, indem sie vorzügliches Benehmen an den Tag legte.
    Sie lernte, einen Knicks zu machen, sie spielte ein wenig Klavier und steppte sogar gelegentlich. Und wenn das Gespräch unerträglich pompös konservativ oder langweilig wurde, bekam sie Wutanfälle, trat Frauen gegen die Fußgelenke und stieß die Männer in die Weichteile. Beim Deckspaziergang gefiel es der Contessa Tambbar Kussa, die sich in der Konversation auf Erinnerungen an ihre beiden Hunde beschränkte und auf die Klage über das herzlose Tierverbot im Speisesaal, laut nach Mimi zu rufen: Kindchen, pass auf, dass du nicht nass wirst! Der Satz war Teil ihres Codes und bedeutete: Dass es nicht mit dir durchgeht beim Anblick der muskulösen Matrosen, die Mimi allabendlich heraufbeschwor, wenn sie in der oberen Koje lag und unter ihrer Decke masturbierte.
    Doch eines Tages, als Mimi sehr betrunken war, erblickte sie den adretten Schiffsarzt. Sie starrte ihn an, ihre Lippen begannen zu zittern, ihre Schenkel rieben unruhig am stählernen Schiffskörper. Sie vergaß ihr Alter und steckte achtlos die Puppe unter den Arm, sie zündete sich lächelnd eine Zigarette an und blies weiße Ringe, die von den Winden über den Ozean getragen wurden. Zur großen Freude der Passagiere sprangen Delfine hindurch, wundersame Wölkchen sanken vom Himmel herab und verschmolzen mit den rauchigen Seufzern, die Mimi in die tropische Hitze gesandt hatte.
    Der Arzt, dem Mimis provokative Gesten nicht entgangen waren, war alarmiert, vor allem aber verstört, denn das Mädchen erregte seine Begierde. Er begann, Mimi zu beobachten, und ließ sie nicht mehr aus den Augen, bis er sie eines Tages im schwülheißen Maschinenraum erwischte, wo sie dem Maschinisten einen blies, im Stehen, sie reichte ihm bis knapp unter den Gürtel. Zuerst ging er von Kindesmissbrauch aus, doch als er Mimi untersuchte, stellte er fest, dass sie nicht das unschuldige Kind war, für das sie sich ausgegeben hatte. Nun erfuhr er auch, dass die Contessa Tambbar Kussa nicht aus Weißrussland kam – der größte Affront bestand darin, dass der Name, den die Frau, eine Araberin, angegeben hatte, aus dem Arabischen übersetzt »die Contessa mit der geschwollenen Vagina« bedeutete. Die Contessa wurde also verhört, man drohte, sie ins Gefängnis zu stecken, weil sie sich mit einem falschen Pass als Aristokratin ausgegeben hatte. Da sie eine lange Haftzeit fürchtete, sagte sie als Kronzeugin aus und erzählte dem Gericht von den Diamanten in der Puppe.
    Mimi wurde verhaftet und verurteilt: lebenslänglich. Im Gefängnis wurde sie von den großen Frauen, mit denen sie die Zelle teilte, gequält und geschlagen, sie zwangen sie, den Zirkustanz – so ihre Bezeichnung – zu tanzen und über ein Seil zu gehen, das zwischen zwei Betten aufgespannt war. Unter der Dusche wurde sie von einem pädophilen Wärter bedrängt, der ihr Schimpfnamen ins Ohr raunte. Eines Morgens, als die Gefangenen noch schliefen, lange vor der Glocke und dem täglichen Appell, löste Mimi das Seil, auf dem sie noch am Abend unter dem Gejohle, dem spöttischen Gelächter der Mitgefangenen balanciert hatte, von den Bettpfosten, befestigte es an einem hohen Gitter und erhängte sich. Es war ein stiller Morgen in der Zelle, der Applaus blieb aus, nichts war zu hören als das leise Quietschen des Seils und der Lampe, das kaum merkliche Schwingen des kleinen Körpers.
    Der Hut
    Ich fuhr nach Hause, parkte in der Tiefgarage, öffnete den Kofferraum und zog die Decke heraus, die ich auf meinem Rücksitz gefunden hatte. Ich nahm das gesamte Geld aus meinem Portemonnaie und versteckte es in meinem Hut, dann faltete ich die Decke, legte sie auf den Rücksitz und legte vorsichtig den Hut darauf.
    Ich schlief den ganzen Vormittag.
    Als ich am Nachmittag zum Wagen zurückkehrte, war die Decke nicht mehr zusammengelegt

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