Spinnenkuss: Elemental Assassin 1 (German Edition)
wahrscheinlich immer noch vor sich hin. Ausgezeichnet.
Ich kletterte auf das Metallregal, das an der Wand vor mir stand, schob eine lose Platte der Deckenverkleidung zur Seite und tastete nach dem in Plastik verschnürten Bündel Kleidung, das ich in dem Hohlraum versteckt hatte. Ich zog meinen blutbespritzten weißen Pyjama aus und streifte die frische Kleidung über. Nach meiner Einweisung vor einer Woche war ich als erste Amtshandlung in das Patientenlager eingebrochen und hatte mir die Kleidung zurückgeholt, die ich getragen hatte, als die Cops mich hierhergebracht hatten. Zusätzlich zu meinen Jeans, dem langärmligen dunkelblauen Shirt, den Stiefeln und einer blauen Fleecejacke mit Kapuze hatte ich auch ein paar Taschenmesser bei mir gehabt, außerdem eine silberne Uhr, in deren hinterer Abdeckung eine Würgeschlinge versteckt war. Kleine, fadenscheinige Waffen, aber ich hatte schon vor langer Zeit gelernt, mit dem klarzukommen, was gerade zur Hand war.
Nach meinem Einbruch im Lager hatte ich auch dem Aktenraum einen Besuch abgestattet, um meine Akte zu finden, zu zerstören und anschließend jede Erwähnung meiner Aufnahme aus dem Computersystem der Anstalt zu tilgen. Jetzt gab es keinen Hinweis mehr darauf, dass ich diese Klinik je betreten hatte. Mal abgesehen von Evelyn Edwards’ langsam auskühlender Leiche, natürlich.
Ich legte mir die Uhr ums Handgelenk. Ein wenig Mondlicht fiel durch das Fenster auf meine Hand und beleuchtete die weiß hervorstechende Narbe, die meine Handfläche überzog: ein kleiner Kreis mit acht dünnen Linien, die wie Strahlen von einer Sonne davon abgingen. Eine identische Narbe zierte meine andere Hand. Spinnenrunen – das Symbol für Geduld.
Ich öffnete meine rechte Hand und starrte das Symbol an. Im zarten Alter von dreizehn Jahren hatte man mir die Augen verbunden, bevor man mich geschlagen und gefoltert hatte – und gezwungen, ein Stück Steinsilber zu halten, ein Metallmedaillon in Form einer Spinnenrune. Man hatte meine Hände mit Klebeband um die Rune befestigt, die dann von einem Feuerelementar erhitzt worden war. Das magische Metall war geschmolzen und hatte sich mit meinen Handflächen verbunden. Daher stammten die Narben. Damals, vor siebzehn Jahren, waren die Verletzungen rot gewesen, schmerzhaft und hässlich – wie meine Schreie und das Lachen der Hexe, die mich misshandelt hatte. Mit der Zeit waren die Wundmale verblasst. Und jetzt waren es nicht mehr als silbrige Linien, die sich über meine helle Haut zogen. Ich wünschte mir, die Erinnerungen an diese Nacht wären im Laufe der Zeit genauso verblasst.
Das Mondlicht beschien das Steinsilber, das immer noch in meiner Hand steckte, und ließ die Male fast deutlicher hervortreten als tagsüber. Vielleicht kam es mir aber auch immer nur so vor, da ich den Großteil meiner Arbeit nachts verrichtete, wenn dunkle Stimmungen und Gefühle an die Oberfläche traten. Manchmal vergaß ich fast, dass es die Runen in meiner Hand gab bis zu einem solchen Moment, in dem sie sich mir wieder offenbarten.
Und mich an die Nacht erinnerten, in der meine Familie ermordet worden war.
Ich ignorierte die schmerzhaften Erinnerungen und machte mich wieder an die Arbeit. Der Auftrag war erst zur Hälfte erledigt, und ich hatte nicht vor, mich schnappen zu lassen, weil ich aufgrund von Geschehnissen, die ich ohnehin besser längst vergessen hätte, rührselig und unaufmerksam geworden war. Gefühle waren nur etwas für diejenigen, die nicht stark genug waren, sie abzuschalten.
Und schon seit langer Zeit gehörte ich nicht mehr zu den Schwachen.
Ich stopfte den blutüberströmten Pyjama und die leere Plastiktüte in einen der Putzeimer. Dann zog ich eine Dose mit Bleichmittel aus dem Metallregal, öffnete sie und schüttete die Flüssigkeit in den Eimer. Ich umfasste einen der Mopps mit den Ärmeln meiner Jacke und rührte das Ganze ordentlich durch. Aus dieser Kleidung würde niemand mehr DNA gewinnen. Vorausgesetzt, die Polizei machte sich überhaupt die Mühe, danach zu suchen. Morde, besonders durch Stichwaffen, waren nicht gerade untypisch für die Klinik. Deswegen hatte ich mich auch dafür entschieden, die Irrenärztin hier zu erledigen und nicht bei sich zu Hause.
Nachdem das erledigt war, griff ich in meine Jackentasche und zog eine silberne Brille mit leicht getönten ovalen Gläsern heraus und setzte sie mir auf die Nase, um meine grauen Augen zu verbergen. In der anderen Tasche steckte eine Baseballkappe, die
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